Nur noch wenige Wochen und "Soul Kitchen" von Erfolgsregisseur Fatih Akin kommt in die Kinos. Schon vorab wird die Sozialkomödie groß bejubelt. Doch eine weitere Besonderheit gibt es bei diesem Film: Es erschien ein Roman, der nach dem Drehbuch entstand und die Geschichte vor dem Film erzählt. Der Titel: "Soul Kitchen - Der Geschichte erster Teil - Das Buch vor dem Film". KIELerLEBEN.de sprach vor ihrer Lesung am 29.11. im Café exlex mit der Autorin Jasmin Ramadan. KIELerLEBEN.de: Wie ist die Entstehungsgeschichte des Buches? Wer hat hier zuerst gemalt?
Drehbuchautor oder du? Jasmin Ramadan: Das Drehbuch war fast fertig, als ich es bekam, später wurden noch Kleinigkeiten geändert. Die Figur Zinos gefiel mir sofort und erinnerte mich an Adam (Bousdoukos, Anm. d. Red.), der ihn ja auch spielt. Und auch Ilias, Zinos Bruder, war im Drehbuch eine inspirierende Figur - und natürlich untrennbar von Zinos. Als ich das Drehbuch gelesen hatte, wollte ich unbedingt noch mehr von den Jungs wissen. So kam ich auf die Idee, mir eben selber auszudenken, wie sie wurden, was sie sind, wie ihre Leben verliefen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Geschichte des Films beginnt. Der Film ist ja eher eine Momentaufnahme, man taucht direkt ins Leben der beiden ein, aber eben nur kurz. Ich fand die Aufgabe, was dazu zu erzählen großartig, ich hab das als Kind schon gemacht, zu Filmen und Fernsehserien, die ich liebte. Wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit mit Fatih Akin? Wir kennen uns aus Teenagerzeiten. Dass ich einen Roman schreiben soll, der sich auf "Soul Kitchen" bezieht, war seine Idee. Er kannte meine Texte. Aber wie genau bei ihm die Idee für dieses Projekt entstand, und warum, da müsste man ihn fragen. Wie sahen die Recherchen aus? Vor Ort? Hast du die Rezepte selbst ausprobiert? Also auf Adios und M. hab ich nicht vorbeigeschaut, hätte ich aber gern. Meine harte Jugendphase erlebte auch ich in Hamburg, so wie Zinos. Ich koche oft, denn ich lade immer gern Leute zu mir ein. Ich finde, dann muss was auf den Tisch, da bin ich mütterlich. Ich hab auch lange in der Gastronomie gejobbt, in Restaurants verschiedener Art. Bei mir zu Hause gab es nie viel Geld, ich hatte also keine Wahl - wie Zinos. Aber ich will diese Erfahrungen nicht missen. Ich hab da mindestens genauso viel Wichtiges gelernt wie später in der Uni. Alle Rezepte aus dem Buch lassen sich nachkochen, auch variieren. Beim Schmortopf Adios kann man zum Beispiel auch mit weniger Zutaten arbeiten. Die scharfe Ochsenschwanzsuppe ist meine Variation eines Rezeptes meiner deutschen Oma. Scharfes Essen hat sie nie verstanden. Aber es wird erst perfekt mit ordentlich Chilli. Kathinkas pürierte Nahrungspyramide ist nur was für harte Neurotiker, oder für den Tag nach der exzessiven Party - bei Kathinka war das, bevor sie Zinos traf, ja fast jeder Tag. Ach, und ehrlich, ich habe noch nie Erdbeerkaba zu Nudelauflauf getrunken, aber ein Cousin von mir trank als Kind zu allem Erdbeerkaba und er hat auch überall Apfelmus dazu gemischt, sogar zum Bratfisch. Aber er ist ein ganz normaler Typ geworden. Ich glaube, jeder Mensch hat ein paar seltsame Essgewohnheiten. Wer weiß, vielleicht gibt es Leute, die deswegen nie mit jemandem zusammen ziehen. Kannst du „Zinos“ für unsere Leser charakterisieren? Er versucht bei allem ein guter Mensch zu bleiben, ist also gewissenhaft. Er ist romantisch, leidenschaftlich und hat zu wenig Selbstvertrauen. Er ist nicht besonders entscheidungsfreudig, er lässt sich Entscheidungen gern mal abnehmen. Aber er ist auch mutig, trotz allem. Ich hätte mich vieles, was er im Buch so macht, nicht getraut. Ich wäre nie in Candidos Bus gestiegen! Ich wäre gar nicht nach Metido gereist, ich hätte es mir in Ambar gemütlich gemacht und in einem klimatisierten Hotel gejobbt oder so. Wieviel Jasmin Ramadan steckt in der Geschichte? Na, da ich sie geschrieben habe, zumindest mein Geschmack. Aber da ich schon oft nach den Sprüchen gefragt wurde, die die Figuren so sagen: Das sind nicht meine Weisheiten, die ich unters Volk bringen wollte. Figur ist Figur, Autor ist Autor. Ich vermisse meine Figuren aber immer sehr, wenn ich etwas fertig hab, auch die bösen! Fast alle Lieder, die ich nenne, hab ich schon lange gern. Musik ist ein guter Draht zur Erinnerung und natürlich unterstreiche ich mit einem Titel hier und da mal die Handlung, wie zum Beispiel mit Chaka Khans: "Through the Fire" zu Zinos Entjungferung. Nach der ihm ja zum ersten Mal das Herz gebrochen wird. Nichts passt dazu besser als ein kitschiges Lied wie dieses. Für mich war all das als Teenie auch vor allem kitschig, selbst wenn ich litt. Ich war manchmal unerträglich theatralisch. Selbstironie und Pragmatismus kann ich erst seit Mitte Zwanzig. Was bedeutet für Zinos Heimat und was bedeutet es für dich? Ich bin zu Hause bei Menschen, die mir nahe stehen, bei denen ich mich niemals verstellen könnte, denen ich vertraue. Ich habe mir meine Familie selber schon früh zusammengesucht, ich hatte ja nur meine Mutter. Meine Familie sind meine Freunde, zwei davon kenne ich seit ich drei Jahre alt war, die anderen auch so zehn zwanzig Jahre. Aber klar ist auch Hamburg ein Ort, an dem ich mich gut auskenne und den ich sehr mag. Den Begriff Heimat mag ich nicht, ich hatte damit nie was zu tun und ich habe keinen Bezug dazu. Weder wurde ich politisch verfolgt und von irgendwo vertrieben, noch kann ich was mit Nationalstolz anfangen - und ich assoziiere so etwas, wenn ich das Wort Heimat höre. Da schwingt für mich rechter Konservatismus und Deutschtümelei mit. Nicht mein Geschmack. Zinos muss raus finden, was er will und was nicht, er will glücklich sein, wie er es zuletzt als Kind war und seine Familie noch intakt. Er muss erwachsen werden und sucht ein zu Hause. Er merkt ja schnell, dass er das nicht automatisch in Griechenland findet, bloß weil er Grieche ist. Kann der Film mit dem Buch mithalten? Bestimmt gibt es Leute, die beides toll finden, welche, die den Film oder das Buch besser finden, eines oder beides nicht mögen und so weiter... Aber hoffentlich werden viele unser gemeinsames Ding verstehen und so sehr mögen wie wir. Du selbst steckst zwischen den Kulturen. Ist es für dich schwierig oder erweitert es deine Sicht auf die Dinge? Ich stecke gar nicht zwischen zwei Kulturen. Ich sehe nur so aus und heiße so. Ich hatte zwar immer mal wieder Kontakt zu meinem ägyptischen Vater, aufgewachsen bin ich aber bei meiner deutschen Mutter. Ich spreche leider nicht mal arabisch. Mein Vater lebt in Kairo, eine aufregende Stadt, aber ich war häufiger in Griechenland, Kroatien, Italien und Spanien. Sogar in Bulgarien war ich öfter, als Kind mit meiner Mutter, weil es so günstig war, da Urlaub zu machen. Dein Debüt hast du nun mit 35. Wie bist du überhaupt zum Schreiben gekommen? Als ich schreiben lernte, fing ich an, Geschichten zu schreiben und sie anderen Kindern vorzulesen. Meist Gruselgeschichten, weil die so gut ankamen. Mein Leben war lange chaotisch und schwierig, aber ich habe immer geschrieben. Mit Dreißig hatte ich endlich meinen ersten Roman fertig. Welches wird das nächste Projekt sein? Bleibst du der Literatur erhalten? Ich hatte schon vor Soul Kitchen zwei fertige Romanmanuskripte. Eines davon sollte verlegt werden, aber dann kam Fatih mit seiner Idee dazwischen. Fand der Verlag natürlich toll. Klar bekomme ich dadurch wohl mehr Aufmerksamkeit, als die meisten Debütanten bei kleinen Verlagen. Der nächste Roman kommt also... Wie ist es zur Zusammenarbeit mit Viva con Agua gekommen? Wieso liest du gerade in Kiel für die Wassertage? Die haben sich an Blumenbar gewandt, und ich hab natürlich sofort ja gesagt. In Hamburg lese ich am 2. Dezember auch noch mal für Viva con Agua bei der Wassergala, zusammen mit Philipp Baltus, der das Hörbuch gesprochen hat. Viva con Agua hab' ich natürlich schon vorher mitbekommen hier in Hamburg. Schöne Sache, da freu' ich mich, dass ich nun auch was beitragen kann. Das Interview führte Natalie Baumgärtner Im Rahmen der Viva con Agua Wassertage liest Jasmin Ramadan am 29. November für den guten Zweck im Café exlex. Während der "Soul Kitchen"-Lesung werden Spenden für ein Trinkwasserprojekt von Viva con Agua e.V. in Burundi gesammelt. Mehr Infos findet ihr unter www.vivaconagua.org oder www.myspace.com/cafeexlex. Zum Roman: Zinos, ein Held unserer Tage, ist nirgends richtig zuhause. Weder in Hamburg, wo er wohnt, noch in Griechenland, der Heimat seiner Eltern. „Soul Kitchen – Der Geschichte erster Teil – Das Buch vor dem Film“ von Jasmin Ramadan ist eine Komödie über einen irren Selbstfindungstrip – und die Vorgeschichte zum neuen Kinofilm von Fatih Akin. Blumenbar Verlag, 14,90 Euro Foto: Ali Salehi