Am Samstagabend feierte das Publikum im Kieler Opernhaus lautstark die geglückte Premiere von Jules Massenets „Manon“. Dem Bühnen-Traumpaar Ekaterina Isachenko und Yoonki Baek sowie dem stimmigen Regie-Konzept von Silvana Schröder gelang ein tragisch-schönes Update einer der erfolgreichsten französischen Opern. Mit ein paar beherzten Strichen und elektronischem Sound sorgte der Dirigent Leo Siberski klanglich für „Unerhörtes“, noch bevor er die Zuschauer in die Pause schickte.
Ein verschneiter Bahnsteig in Amiens. Verloren sitzt Chevalier Des Grieux (Yoonki Baek) auf einer Bank. Seine traurigen Augen lassen Schlimmes erahnen, während um ihn herum geschäftiges Treiben herrscht. Touristengruppen kommen und gehen, Nachtschwärmerinnen (Hanna Herfurtner, Şen Acar, Marina Fideli) vergnügen sich mit Lebemännern. Mittenhinein in diese Szenerie platzt die Erinnerung an Des Grieux‘ große Liebe: Die bezaubernde Manon Lescaut (Ekaterina Isachenko). Da wirbelt sie auch schon mit mädchenhaftem Charme über die Bühne, verdreht allen Männern den Kopf und träumt von einem freien Leben im Luxus anstatt im Klosterinternat. Des Grieux fängt sofort Feuer und beschließt mit ihr nach Paris durchzubrennen.
Liebesnest in Paris
Frisch Verliebte brauchen nicht viel: nur eine große Matratze, zwei Sektgläser und Pizza. In einem Brief an seinen Vater, den Grafen Des Grieux (Petros Magoulas), bittet der junge Chevalier, die Liaison mit Manon zu legitimieren, als plötzlich Manons Cousin Lescaut (Tomohiro Takada) und der neureiche Brétigny (Kyung-Sik Woo) die Wohnung stürmen. Des Grieux kann Lescaut jedoch mit seinen Heiratsabsichten beschwichtigen, indessen erzählt Brétigny Manon, dass Des Grieux auf Befehl seines Vaters zurückgeholt werden soll. Schweren Herzens lässt sie die Entführung geschehen und gibt sowohl dem Werben Brétignys als auch der Verlockung des Geldes nach.
Oberflächliche Spaßgesellschaft
Erfolgreich setzt Manon ihre Schönheit ein, bricht sämtliche Konventionen und steigt an der Seite Brétignys rasch zum neuen Gesicht von Paris auf. Anlässlich einer Filmpremiere findet ihr zu Ehren die Modenschau eines berühmten Labels statt. Sie kostet das Leben in vollen Zügen aus und scheint Des Grieux längst vergessen zu haben. Bis sie dort seinem Vater begegnet, der ihr von der Flucht seines Sohnes ins Kloster berichtet. Manon erkennt, dass all der Prunk keine Seele hat und macht sich auf nach St. Sulpice.
Religion als Rettungsanker
Doch selbst das Priestergewand bietet Des Grieux keinen Schutz vor den Bildern seiner verflossenen Liebe, mag er auf seinen Knien noch so verzweifelt darum bitten. Als die Geliebte unerwartet vor ihm steht, erliegt er erneut ihren Reizen. Um an Geld zu kommen, überreden Manon und Lescaut ihn zum illegalen Pokerspiel. Tatsächlich gewinnt Des Grieux eine stattliche Summe, woraufhin ihn der eifersüchtige Guillot (Fred Hoffmann) des Falschspiels anklagt. Schnell ruft er die Gendarmerie auf den Plan, die Manon abführt. Der Wagen rast durch die Leitplanken, und Manon erleidet einen sinnlosen Tod in den Armen des Mannes, der sie immer geliebt hat.
Das Sängerensemble
Der Tenor Yoonki Baek lässt vor allem mit seiner Arie „Ah! Fuyez, douce image“ tief in das schmerzende Herz Des Grieux‘ blicken und beschert dem Premierenpublikum damit einen der schönsten und ausdruckstärksten Momente des Abends. Vielschichtiger ist dagegen die Partie der Manon angelegt. Die Sopranistin Ekaterina Isachenko bewegt sich stimmlich und schauspielerisch elegant zwischen jugendlicher Unbeschwertheit, Männertraum, weiblicher Genusssucht und zarter Seele. Der smarte Kyung-Sik Woo als Brétigny und Tomohiro Takada als Cousin Lescaut geben ihren Figuren mit hervorragenden Baritonstimmen verruchte Züge.
Text: Bianca Thedens
Fotos: Olaf Struck
Weitere Aufführungen im Kieler Opernhaus: 12.05. um 19:00, 17.05. um 18:00, 01.06. um 19:30, 17.06. um 19:00, 20.06. um 19:00, 24.06 um 18:00
www.theater-kiel.de