Ylva Thomann arbeitet im Piercing-Café „Body Style“ und verschönert täglich mit wenigen Stichen und viel Erfahrung Körper und Gesichter ihrer Kunden.
Vor der Tür stehen ein paar Stühle, drinnen gibt es Barhocker und eine kleine Couch. Im Piercing-Café „Body Style“, dem etwas anderen Café im Kieler Rotlichtviertel, bekommt man nicht nur leckere Heißgetränke, man kann sich auch ein Piercing stechen lassen.
Die Gäste sind überwiegend weiblich und werden von der angenehmen Atmosphäre, dem guten Kaffee und natürlich Ylva, die strahlend hinter dem Tresen steht, hierher gelockt. Die natürliche, freundliche Art der 35-jährigen Kielerin steckt an.
Warum sie ihren Beruf so mag? „Wegen des Kontakts mit den Menschen und den flexiblen Arbeitszeiten. Manchmal bin ich auch Therapeutin“, sagt sie lachend. Begonnen hat alles mit einer Schweinshaxe.
Bei den ersten Kunden haben mir schon die Nerven geflattert
Ihr Mann hatte sie auf die Idee gebracht, an einem vierwöchigen Piercing-Lehrgang teilzunehmen. Um sich darauf vorzubereiten, bestückte sie eine von Freunden gespendete Haxe mit einer Vielzahl an Ringen und Steckern. Inzwischen arbeitet sie seit fast 15 Jahren als Piercerin. Die ersten Jahre verbrachte sie im „Tattoo Point“, der gleich neben ihrem jetzigen Arbeitsplatz liegt, dann wurde im Sommer 2009 „Body Style“ eröffnet, wo sie seitdem aktiv ist.
Als gelernte Zahnarzthelferin kennt sich Ylva mit Gesichtsnerven gut aus, auf der Heilpraktikerschule erweiterte sie ihr Wissen. Was ihr Können aber hauptsächlich ausmacht, ist ihrer Meinung nach die Routine. „Bei den ersten Kunden haben mir schon die Nerven geflattert. Ich habe natürlich so getan, als hätte ich schon jahrelange Erfahrung. Jetzt ist aber immer alles entspannt.“
Ihren Kunden möchte sie eventuelle Ängste nehmen. „Genau aufklären und die Nervosität wegplaudern“, so ihre Devise. „Bei Jüngeren geht ohne die Einverständniserklärung der Eltern aber gar nichts“, macht Ylva energisch klar. Generell pierct sie niemanden unter 16 Jahren. Nicht gerade begeistert war sie übrigens, als ihre siebenjährige Tochter sie um Ohrlöcher bat. Schnell zückte sie die dickste Nadel ihres Sortiments, und plötzlich war das Töchterchen gar nicht mehr so begierig auf neuen Ohrschmuck.
Lieber etwas weniger und dafür schön
Für Ylva steht die Ästhetik immer im Vordergrund. Gern macht sie deshalb „Skin Diver“. Das sind kleine Stecker, die zum Teil in der Haut versenkt werden und dann nur noch als kleines Steinchen auf der Hautoberfläche sichtbar sind. Sie eignen sich perfekt, um bei bereits vorhandenen Tattoos Highlights zu setzen. Außerdem sticht sie sehr gerne Zungen- und Intimpiercings, aber auch Herausforderungen, wie zum Beispiel Stäbe schräg durchs Ohr zu stechen, reizen sie.
Szene-Neuheiten wie riesige Implantate oder gezieltes Zufügen von Narben, sogenanntes „Cutting“, ist für sie Selbstverletzung und kommt damit überhaupt nicht in Frage. „Lieber etwas weniger und dafür schön“, so ihre Philosophie. „Natürlich gibt es aber auch Stammkunden, die einfach crazy aussehen. Das finde ich schon cool“, gibt sie schmunzelnd zu.
Sie selbst trägt kein einziges Piercing. Sicher, früher hatte sie welche, auch selbstgestochene. „Jetzt, wo ich Mutter bin, muss das aber nicht mehr sein. Ich habe genug Spaß damit, andere Menschen zu verschönern!“
Wiebke Schulz