Der THW Kiel hat seine Verfolger im Rennen um die Meisterschaft mit einem Unentschieden in der heimischen Arena gegen den SC Mageburg selbst wieder stark gemacht und führt die Tabelle nun mit nur noch zwei Zählern vor den Rhein-Neckar Löwen an.
Bereits das Hinspiel gegen durchaus kampfbereite Magedburger hatte der THW verloren, damals sah sich die Zebraherde einer bis in die Haaspitzen motivierten B-Elf der Bördeländer gegenüber und war letztlich gegen den vermeintlich schwächeren Gegner über 60 Minuten nahezu ohne Siegchance. So ein Szenario sollte sich freilich nicht wiederholen, schon gar nicht vor eigenem Publikum. Der Statistik-Check sollte das Kieler Gemüt im Grunde auch beruhigen, 26 der letzten 27 Matches entschieden die Kieler für sich, vor einigen Jahren gar der absolute Rekordknüller: Ein 54:34 Sieg für die Hausherren! Man durfte sich in Kiel seiner Sache also eingermaßen sicher sein, wäre da eben nicht diese Hinspiel-Sache gewesen.
Auf Magdeburger Seite stand wieder ein nahezu kompletter Kader, auf Kieler Seite ebenso, lediglich Rasmus Lauge fehlte und wird in dieser Spielzeit auch nicht mehr ins Geschehen eingreifen können. Sonst waren alle Mann an Bord, auch christian sprenger stand wieder im Kader, wurde letztlich aber von seinem Coach doch noch geschont und verbrachte 60 Minuten auf der Bank.
Dem THW war sofort anzumerken, dass man es besser machen wollte, als im Hinspiel und auf Statistik nichts geben mochte, Statistik gewinnt schließlich keine Spiele! Mit einer offensiven 3:2:1- Abwehr, die Filip Jicha an der bisweilen so offensiv interpretierte, dass er seine Gegenspieler nicht selten in der Mitte der Kieler Hälfte stoppte, legten die Hausherren los. Die Kreise der Bördeläner sollten früh gestört werden, ein Angriffsaufbau sollte verhindert werden. Schön war es auch nicht anzusehen, was die Gäste da trieben. Zwar verfehlte die Kieler Abwehr ihre erhoffte Wirkung nicht, aber auch ohne Spielaufbau gelang es den Magdeburgern immer wieder irgendwie, den Ball Richtung Kreis und ins Tor zu befördern. Auf der Gegenseite mühte sich der THW redlich gegen eine deutlich defensivere 6:0- Abwehr der Gäste, den direkten Weg zum Tor fanden die Kieler aber selten. Bereits in der Anfangsphase zeichnete sich ab, was später immer wieder bestätigt werden sollte: Die SCM-Abwehr ging motiviert, teilweise übermotiviert und sehr hart mit ihren Gegenspielern um, Schmerzen auf der Gegenseite wurden durchaus in Kauf genommen. Nun gibt es im Handball nach hartem Einsteigen zum Glück Strafwürfe, klappte aus dem gebundenen Spiel schon nicht viel, so saßen wenigstens die ersten beiden Siebenmeterwürfe. Der Dritte verfehlte dann aber bereits sein Ziel, der Wurf von Magdeburgs Außen Weber hingegen verfehlte Kiels Keeper Johan Sjöstrand nicht und traf ihn nach fünf Minuten mit voller Wucht im Gesicht. Der Schwede wurde förmlich ausgeknockt, konnte aber nach Behandlungspause weiterspielen - vermeintlich! Wenig später ging er doch vom Feld, verließ die Halle und ward auch nicht mehr gesehen - mit einer Gehirnerschütterung wird er seinemTeam erstmal einige Tage fehlen! An Kollege Palicka lag es aber nicht, das sich weiterhin ein spiel entwickelte, in dem der THW ein ums andere Mal das Nachsehen hatte, fahrig, unkonzentriert und sogar ein wenig ängstlich vor dem Abwehrbollwerk des Gegners wirkte. Technische Fehler reihten sich nahtlos in die Riege unvorbereiteter Würfe, und schlafmütziger Abwehrarbeit ein. Gislason tobte an der Seitenlinie auf und ab, diskutierte mit seinen Spielern und auch den Schiedsrichtern, die mit Magdeburger Härte recht nachsichtig umgingen. Spielte der THW dann doch einmal in Überzahl, stellten sie sich eigenartig unglücklich an und konnten aus diesen Situationen kaum etwas machen.
Fünf Tore Rückstand (9:14) in der 24. Spielminute sprachen bis dahin eine vermeintlich deutliche Sprache. Die Bördeländer machten ihrerseits aber auch keinesfalls ein gutes Spiel! Gegen die offensive THW-Abwehr fanden sie auch keine kreativen Lösungen, ihnen gelangt per Kampf und Krampf aber dennoch mehr als den ratlosen Kielern. Auch die Kieler fans wussten sich nicht so recht zu helfen, immer wieder wurden Magedeburger Aktionen oder Schiedsrichterentscheidungen durch gellendes Pfeifen kommentiert, immerhin waren in der ausverkauften Arena alle so richtig wach, als es mit einem 11:15 in die Halbzeitpause ging.
Die zweite Hälfte begann dann mit einer klassischen Kieler Aufholjagd, wie man sie kennt. Einmal mehr haute sich Kapitän Jicha voll rein und machte gemeinsam mit Rückraumkollege Marko Vujin den Ausgleich (19:19, 41. ) perfekt! Dennoch: In keiner Phase des Spiels konnte der THW in Führung gehen, zwischenzeitlich gelang den Gästen gar wieder ein drei-Tore-Vorsprung (23:26, 52.). 10.285 Fans sahen nach dem kurzen Aufbäumen zu Beginn des zweiten Durchgangs eine desolate Leistung ihres Teams und ein Fehlerfestival, wie es einem Tabellenführer nur selten passiert. Nachdem sich die Gäste aber ein, zwei Patzer geleistet hatten, Jicha in der 58. Minute den Ausgleich und Sigurdsson wenig später gar den ersten Führungstreffer (27:26) des Spiels markierte, hielt es keinen Fan mehr auf dem Sitz! Der Führungstreffer wurde beinahe wie die gewonnene Meisterschaft gefeiert, es schien vergessen worden zu sein, dass noch zwei Minuten zu spielen waren und Magdeburg noch nicht nach Hause gegangen war. Das THW-Fan-Herz pochte, solche Pulsbeschleuniger sieht man ja nicht alle Tage an der heimischen Förde. Nicht mehr als 30 Sekunden waren noch zu spielen, der SCM im Angriff hatte es freilich nicht eilig und bekam zehn Sekunden vor Schluss einen Strafwurf zugesprochen. Worst case. Magdeburgs Weber traf und so endete das Match mit einem (gerechten?!?!) Unentschieden, das beide Seiten erst einmal für sich verarbeiten mussten. Die Entscheidung, ob man einen gewonnen Punkt feiern sollte oder einen verlorenen betrauern, dürfte beiden Seiten nicht leicht gefallen sein.