Zur Kaiserzeit dampften dort Bettlaken in Kochkesseln. Heute pinseln, fotografieren und gestalten Künstlerinnen und Künstler ihre Werke im Anscharhaus in der Wik. Mit Politprominenz, Organisatoren und zahlreichen Besuchern feierten sie am Dienstag die Eröffnung des neuen Kieler Atelierhauses in der ehemaligen Wäscherei des Marinelazaretts.
Das Atelierhaus im Anscharpark gibt Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit hier in Kiel ihre Ausbildung zur Anwendung zu bringen. Im Blickfeld stehen etwa die Studierenden der Muthesius Kunsthochschule aber auch bereits ansässige Kreative, denen ein Arbeiten in Kiel ermöglicht wird. Auch auswärtige Künstlerinnen und Künstler sollen für Aufenthalte in Kiel gewonnen werden. Dabei ist das Atelierhaus zugleich ein Ort der Schöpfung von Kunst wie auch der Präsentation mittelst verschiedenster Kunstausstellungen und Kunstaktionen.
In seiner Ansprache nannte Oberbürgermeister Torsten Albig das Atelierhaus „einen neuen Kraftort unserer Stadt, auf den wir stolz sind“. Es gehe jetzt darum, „das Anschargelände zum Ausgangspunkt der Entwicklung eines Stadtteils zu machen“. Auf dem Gelände wurde zwischen 1903 und 1907 das ehemaligen Marine- und Garnisonslazaretts nach den Plänen des Berliner Baurats Georg Schwartzkopff errichtet. Schon heute bietet es eine Kombination von Denkmalpflege und modernen Inhalten in einer Mischnutzung, die Wohnen und Arbeiten verbindet.
Einen Blick in die Zukunft warf Prof. Rainer Werner Ernst, Präsident der Muthesius Kunsthochschule: „Kiel braucht mehr und kann mehr, als hier schon erreicht wurde“. Er nannte sogleich ein halbes Dutzend Orte, wie zum Beispiel Bunkeranlagen, die sich ebenfalls für Kunst und Kultur beanspruchen ließen. Denn, so Prof. Ernst, „Menschen, die etwas machen wollen, sind da.“ Sehr positive Erfahrungen habe er bei der Entwicklung des Lessingbades gemacht.
Ohne Knete keene Kunst
Auch Landesinnenminister Klaus Schlie freute sich über das bürgerschaftliche Engagement, das die Verwirklichung des Projekts Atelierhaus im Anscharpark erst ermöglicht habe. Zugleich rief Schlie die Frage des Geldes in Erinnerung. Das Land Schleswig-Holstein trug mit 700.000 Euro und die Stadt Kiel mit 350.000 Euro den Großteil der Umbau- und Realisierungskosten. Hinzu kam ein beachtliches Darlehen der örtlichen Sparkasse, für das Dirk Scheelje, Gesellschafter der Atelierhaus im Anscharpark GmbH & Co. KG, dieser ausdrücklich dankte.
Die nicht unbeträchtliche Summe von 250.000 Euro wurde aus Eigenmitteln aufgebracht. Auch daran zeigt sich das große Engagement der Beteiligten und die breite Basis des Projekts. Zur Atelierhaus im Anscharpark GmbH & Co KG gehören: Muthesius Kunsthochschule, Verein Haus 8 e.V., Muthesius Gesellschaft, Design-Initiative Nord e.V., Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein, Stiftung Drachensee, Thomas Kersig (privat) für den Stifterkreis Kunsthalle zu Kiel und Conplan Betriebs- und Projektberatungs GmbH & Co KG.
Der Laden brummt
Bei der Eröffnung erwartete den Besucher ein buntes Programm mit Saft, Wein, Hühnchen am Spieß, Ansprachen und vor allem überall Kunst und Kunstschaffenden. Trotz Fehlens einer großen Leiter konnte die Werkschau „Begrüßungsstücke“ verwirklicht werden. Sie zeigt Gemälde, Grafiken und Zeichnungen, Objekte, Keramiken und Skulpturen sowie Kommunikations-, Design-, Architektur-, Städtebau- und Ausstellungskonzepte der im Haus werkelnden Kreativen und der Kunst schaffenden Mitglieder des Vereins Haus 8 e.V.
Die Besucher streiften neugierig durch die Ateliers, wo sie Künstlerinnen wie Künstler live erleben sowie deren Handwerkszeug begutachten konnten. Die große, kreative Bandbreite reichte von städteplanerischen Überlegungen zum Hörn-Areal über Ölgemälde, Neue Medien, Design, Töpferei bis hin zu Familienfotografie sowie vielem anderen mehr. Den tätigen Kreativen stehen vierzehn Ateliers unterschiedlicher Größe (zwölf zu je 34 qm sowie zwei großräumige mit 144 qm und 80 qm für Gemeinschaftsnutzung) zur Verfügung. Ein Großteil ist bereits vermietet. Der Verein Haus 8 verantwortet das Ausstellungsprogramm auf etwa 160 qm Ausstellungsfläche.
Ausblick und Zukunft
Das Projekt ist verwirklicht, die Eröffnung war ein Fest. Anke Müffelmann erinnerte daran, dass dennoch nicht alles getan sei. Sie sprach für den Verein Haus 8 e.V. und richtete sich mit den Worten „Wir brauchen ihre Unterstützung“ direkt ans Publikum. Erbeten werden sowohl Geld- als auch Sachspenden, zum Beispiel Beamer, Tische, Sofas, Geschirr, Bohrmaschinen und Gerät ähnlicher Art. Es besteht außerdem die Möglichkeit ein Stipendienprogramm für Gastkünstler oder Absolventinnen zu finanzieren. Interessierte wenden sich an Kirstin Rupp von der Atelierhaus im Anscharpark GmbH & Co KG, Heiligendammer Str. 15, 24106 Kiel, Tel. 0431-5601899. Gern gesehen sind zudem neue Fördermitglieder im gemeinnützigen Verein Haus 8 e.V. Hierzu berät Anke Müffelmann unter Tel. 0431-8065393 oder Email mueffelmann@boell-sh.de.
Ein noch unvollendetes Projekt ist die Sanierung des ebenfalls denkmalgeschützten, dem Atelierhaus benachbarten Kesselhauses „Haus 15“. Bereits ein Konzeptpapier vom Dezember 2009 formulierte das Ziel, hier einen gastronomischen Betrieb und Veranstaltungsort in enger Verknüpfung mit dem Atelierhaus zu schaffen. Dies konnte bis heute leider nicht verwirklicht werden. Der Finanzbedarf für die Realsierung dieses Vorhabens wird auf 1,9 Mio. Euro gerechnet. Allein die Rettung und bauliche Sicherung des Gebäudes macht 75.000 Euro aus. Ansprechpartner ist Anders Fonager Christensen unter Tel. 0461-9041487 oder Email info@projekt-anders.de
Die Ausstellung „Eröffnungsstücke“ ist noch bis zum 13. Dezember zu sehen.
Öffnungszeiten: Do bis So: 15-18 Uhr
Atelierhaus im Anscharpark
Heiligendammer Str. 15
24106 Kiel