Ob Feuerspucken, Synchronschwimmen oder Marathon laufen – Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal wagt er sich ans Bäckerhandwerk …
„Ich will Bäcker werden“ – ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz als Fünfjähriger in Gegenwart meiner Eltern wiederholt habe. Immerhin war dies, neben Tierarzt, Feuerwehrmann und Höhlenforscher, mein favorisierter Berufswunsch. Kein Wunder – kann man dann doch so viel Kuchen essen, wie man will. Mittlerweile beschränken sich meine Künste in diesem Berufsfeld aber mehr auf das Zusammenrühren von Fertigmischungen – klappt immer und braucht nicht viel Zeit.
Stefan Andresen zeigt mir, wie man die Brote richtig knetet
Daher bin ich sehr gespannt, wie es in einer echten Backstube aussieht. Gibt es überhaupt noch richtige Bäcker oder ist mittlerweile wirklich alles durch „böse Maschinen“ ersetzt worden, wie meine Mutter es immer predigt? Um ein Uhr morgens finde ich mich – völlig verschlafen, immerhin ist es gerade mal zwei Stunden nach meiner normalen Zubettgehzeit – in der Backstube der Bäckerei Andresen in Neumünster ein. Wohlig warm ist es hier, und der Duft von frischem Brot steigt mir in die Nase. Absoluter Wohlfühlfaktor. Inhaber Stefan Andresen adoptiert mich für heute als seinen persönlichen Auszubildenden und drückt mir sofort meine Uniform in die Hand – weißes Shirt, grauweiß karierte Hose, weiße Schürze und ein schickes Häubchen, mit dem ich auch bei der Lufthansa anfangen könnte. So ausstaffiert, nimmt mich der braunhaarige Bäcker, der zu dieser Uhrzeit schon einen Scherz auf den Lippen hat, durch die große, gelbgekachelte Halle mit zum Teigmachen. Haargenau wiegen wir die Zutaten für den Teig ab – Mehl, Wasser, dazu Hefe in riesigen Portionen – immerhin werden hier Backwaren für über 30 Filialen hergestellt. Wir mischen alles in einem riesigen Kessel und stellen ihn unter einen Mixer, der aussieht wie mein Handrührgerät zu Hause – nur eben für Riesen. Langsam walkt die Maschine die Zutaten durch, und es entsteht ein großer Klumpen. Doch wie sollen wir daraus jetzt Brot machen? Während ich nach einer großen Machete Ausschau halte und mich schon in guter alter Samuraimanier kleine Stücke aus der Masse rausschneiden sehe, schiebt Stefan Andresen den großen Bottich zu einem Gerät, das aussieht wie ein großer Trichter mit einem langen silbernen Rohr dran. „Die Maschine hilft beim Abwiegen und Portionieren“, erklärt mir der Bäckermeister. „Hinten kommen die Stücke dann in der richtigen Größe raus.“ Wir setzen den Trichter in Bewegung, es rüttelt und schnurrt wie eine Katze, und schon fällt das erste Stück auf den Tisch, der direkt darunter steht. In einer Geschwindigkeit, die mich an einen Geparden auf Gnujagd erinnert, verteilt er die herausfallenden Stücke auf dem Tisch. Nun geht’s ans Formen.
Vorsichtig hole ich die lecker duftenden Brote aus dem Ofen
Ganz langsam zeigt mir Stefan Andresen, wie ich die Brote in spe gestalten muss. Erst mit einer Hand rund kneten, dann den hinteren Teil mit den Fingern anheben, auf die vordere Hälfte legen und wieder rund machen. Ich versuche mein Bestes, aber es will einfach nicht so klappen wie bei den Profis. Bei mir sieht der Laib nicht oval, sondern eher eckig aus. Der Bäckermeister greift ein und rettet mich. Aufmunternd klopft er mir auf die Schulter. „Man muss erst ein paar Hundert von diesen Broten gemacht haben, dann klappt das auch irgendwann“, sagt er und zwinkert mir zu.
Zwischendurch darf ich die Brötchen mit Ei besprühen
Danach muss der Teig in eine große Gärkammer, die aussieht wie ein großer Ofen, in dem man stehen kann. Nur kühler. Der Duft von frischem Teig liegt hier in der Luft. Einfach himmlisch. Nach einer halben Stunde geht’s dann ans „Einschießen“ – wie das Legen des Brots in den Ofen im Fachjargon genannt wird. Unzählige Brote finden in den riesigen Öfen, die größer und breiter sind als ich, Platz. Mit einem klassischen Schuber aus Holz, wie er auch wohl in dieser Form schon im Mittelalter verwendet worden ist, schieben wir die Masse in den Ofen und stellen das richtige Computerprogramm ein – hier hat nämlich jede Backware ihr eigenes. Meine Mutter hatte also doch recht. Zumindest ein wenig.
Retro und gut. Mit der Fortuna können manuell Berliner gemacht werden
Während wir darauf warten, dass das Brot fertig wird, zeigt mir der Bäckermeister, was gerade noch alles gemacht wird. Quarkbällchen, Brötchen, Croissants, Torten – es herrscht ein Gewusel wie in einem Bienenstock. Stefan Andresen erklärt mich offiziell zum Qualitätsmanager. So darf ich mich durch alles mal durchprobieren – ein Job, den ich jederzeit wieder machen würde.
Unzählige gesunde Kastenbrote werden an diesem Morgen gebacken
Dann hören wir auch schon das schrille Piepen, und mein selbst gebackenes Brot ist fertig. Voller Stolz hole ich es aus dem Ofen und teste die Qualität anhand des Klangs: Die Kruste fühlt sich richtig knusprig an, und es klingt hohl, wenn man draufklopft. „Perfekt“, lobt mich Stefan und packt es mir in eine Tüte.
Nach getaner Arbeit lasse ich mir die Brötchen von Andresen schmecken
Mittlerweile ist es bereits 5 Uhr. Ich habe gar nicht registriert, wie schnell die Zeit vergangen ist, doch ich merke, wie sich langsam die Müdigkeit einstellt. Stefan Andresen hat Mitleid, packt mir noch ein paar leckere Brötchen ein und schickt mich nach Hause. Ich freue mich auf mein Bett – Bäcker werde ich wohl nie. Doch eins ist sicher: Auf Fertigmischungen werde ich in Zukunft verzichten. Selbst gemacht, schmeckt eben doch am besten!
Sie haben eine Idee für unseren Redakteur? Schreiben Sie an redaktion@kielerleben.de.