Südländisches Flair, hochsommerliche Temperaturen und ein Feuerwerk zum krönenden Abschluss – die Kieler Sommeroper „Tosca“ auf dem Rathausplatz wird stürmisch umjubelt und beschert dem Premierenpublikum am Samstagabend ein grandioses Event. Italien in Kiel
Mit seiner venezianisch angehauchten Architektur bietet der Rathausplatz den perfekten Spielort für Giacomo Puccinis „Tosca“. Zum ersten Mal in seiner Geschichte wagt das Kieler Theater eine Inszenierung unter freiem Himmel. Ein Historienspektakel, in dem es um mehr als nur die Liebe geht. Religion, Politik, Verrat, Mord, Hinrichtung und Selbstmord – darauf machen sich die 1130 Zuschauer gefasst. Am Bootshafen sehen weitere 1800 Menschen per Videoleinwand-Übertragung dem Politkrimi zu. An knisternder Dramatik lässt es Intendant Daniel Karasek als Regisseur dabei nicht fehlen. Doch die wuchtigen Orchesterklänge, die Generalmusikdirektor Georg Fritzsch seinen Musikern aus dem Zelt entlockt, setzen die Protagonisten auf der Bühne erst ins rechte Licht.
Ohne Vorhang fällt der Blick sofort auf die Kirchenbänke, die kleine Madonna am Stahlgerüst, den Sarkophag aus Stein, den riesigen Engel und weiter auf den Kleinen Kiel. Bei der Gestaltung des sakralen Schauplatzes hat sich Norbert Ziermann etwas zurückgehalten. Erst im zweiten Akt tischt er richtig auf und sorgt mit vielen Kerzen für einen Hauch Romantik. Zentral im Hintergrund hängt eine Videoleinwand (Videoprojektion: Konrad Kästner), die mit stark assoziativen Bildern die Handlung untermauern wird.
Menschlichkeit versus Macht
Von gelegentlichen Eifersuchtsanfällen mal abgesehen, führen die berühmte Sängerin Floria Tosca (Raffaella Angeletti) und der begabte Kunstmaler Mario Cavaradossi (Jesus Garcia) eine glückliche Beziehung. Bis zu dem Tag, an dem der verfolgte Staatsfeind Angelotti (Ulrich Burdack) in der Kirche auftaucht. Cavaradossi, der sich frei von politischen Machtstrukturen glaubt, gewährt dem Flüchtling Unterschlupf. Eine folgenschwere Entscheidung, denn damit heftet sich der mächtige Polizeichef Scarpia (Elia Fabbian) an seine Versen. So dauert es nicht lang, bis ihn Scarpias Schergen verhaften und foltern. Aber Scarpia findet allein darin keine Befriedigung. Er will Tosca. Für eine Liebesnacht mir ihr, gibt er vor, Cavaradossi nur zum Schein hinrichten zu lassen. Um den Geliebten zu retten, willigt Tosca zunächst ein. Ihr Peiniger glaubt sich am Ziel seiner Wünsche, bis sie ihm im Affekt ein Messer in die Brust rammt. Auch wenn auf der großen Videoleinwand Scarpias Asche bereits verglüht, bleibt er der Herr über Leben und Tod. Und weil Scarpia eine Bestie ist, wird Cavaradossi kaltblütig hingerichtet. Zu spät erwacht Tosca aus ihrer grenzenlosen Naivität, sie könne ein Leben nur für die Liebe und Kunst führen. Von Feuerfontänen eingerahmt springt Tosca in den Tod.
Strahlendes Sängerensemble – Blickfang Jesus Garcia
Kaum betritt Jesus Garcia als Cavaradossi im weißen Mantel (Kostüme: Claudia Spielmann) jugendlich frisch die Bühne, wandert das Opernglas beim weiblichen Publikum unaufhörlich durch die Reihen. Mit samtweicher Stimme mimt der aus Houston stammende international gefragte Tenor den Freidenker und Geliebten Toscas. Die berühmte Arie „E lucevan le stelle“ sorgt für Gänsehaut und wer genau hinsieht, kann die Sterne über Kiels Nachthimmel blitzen sehen. In ihrer golddurchwirkten Robe zeigt die Turiner Sopranistin Raffaella Angeletti beeindruckend, was sie stimmlich und szenisch aus ihrer Paraderolle herausholen kann. Denn Tosca ist nicht nur die starke Frau, die den Schuft zur Strecke bringt, sondern auch schwach und verletzlich. Sie liebt inbrünstig, ist aber gleichzeitig eifersüchtig. Sie fürchtet die Folter, rennt aber sehenden Auges in ihr Unglück. Mit seinem satten, oft zu vornehmen Bariton kann Elia Fabbian die Figur des Scarpia in seiner bedrohlich-finsteren Aura nicht immer ganz ausfüllen.
Auch wenn am Ende der Oper alle Protagonisten tot sind, das Feuerwerk wurde gezündet. Genug Grund zum Feiern gab es ja.
Text: Bianca Thedens
Fotos: Olaf Struck
Weitere Aufführungen: täglich vom 21. bis 26. August, jeweils 20 Uhr
www.theater-kiel.de