Generalmusikdirektor Benjamin Reiners gelingt im Zusammenspiel von Orchester und großartigem Ensemble auf der Bühne eine erfreulich erfrischende Inszenierung der lange umstrittenen Mozart-Oper.
Die im Jahr 1790 in Wien uraufgeführte Oper, deren Titel sich mit „So machen es alle“ am direktesten übersetzen lässt, wurde lange Jahre verschmäht. Zu albern seien die Texte, zu unmoralisch die Handlung. Dabei sind es gerade die freigeistigeren seiner Werke, bei denen Mozarts wahres Genie zum Tragen kommt. Um das zu erkennen, mussten allerdings anscheinend erst viele Jahrzehnte vergehen – vielleicht war Mozart seiner Zeit nirgends so weit voraus, wie bei den Arbeiten, bei denen er weitestgehend freie Hand genoss.
Bei „Cosi“ mag Mozart zusätzlich angestachelt haben, dass das Libretto, also die Textvorlage, ursprünglich für seinen ewigen Widersacher Antonio Sallieri bestimmt war, der auch eine Komposition begann, jedoch nie zu Ende brachte.
Kennste, kennste?!
Frauen! Wo soll man anfangen? Was nach einer Zusammenfassung des komödiantischen Gesamtwerks von Mario Barth klingt, ist die grundlegende Prämisse von „Cosi fan tutte“, das den Nebentitel „oder: Die Schule der Liebenden“ trägt.
Alles beginnt mit einer Wette. Wir befinden uns in Neapel und die Offiziere Ferrando und Guglielmo sind mit den beiden Schwestern Dorabella und Fiordiligi liiert und sich deren Treue über alle Maße sicher. Don Alfonso hat die Welt gesehen und behauptet, dass alle Frauen untreu würden, wenn sich ihnen die Chance böte. Die beiden Soldaten nehmen die Wette an, müssen Don Alfonso aber versprechen, den Frauen nichts von der Wette zu verraten und auch sonst nach seiner Regie zu agieren.
So macht sich Don Alfonso auf den Weg, um den Dorabella und Fiordiligi die Botschaft zu überbringen, dass die Männer auf Befehl des Königs sofort in den Krieg ziehen müssen. Es kommt zu einer tränenreichen Verabschiedung. Kaum sind die Männer aus dem Haus, macht sich das von Don Alfonso angestiftete Hausmädchen Despina daran, den Damen einzuflüstern, dass es nicht schaden könne, sich ein wenig zu vergnügen – schließlich wisse man ja, dass es Soldaten auch selbst nicht so eng sehen mit der Treue.
Don Alfonso steckt derweil Ferrando und Guglielmo in andere Outfits, stattet sie mir falschen Bärten aus und schickt sie als fremdländische Adlige zurück zu den Frauen, die sich noch strikt gegen Despinas Vorschläge verwehren, auf dass die falschen Albaner sie verführen mögen. Die Verkleidung ist gut genug, um die Damen zu täuschen und Ferrando und Guglielmo legen sich, ganz nach Don Alfonsos Anweisungen, ins Zeug, um die Liebste des jeweils anderen für sich zu gewinnen.
Am Ende geht es in „Cosi fan tutte“ also um nicht weniger als um das Wesen des Menschen. Don Alfonso empfiehlt den Vieren sich zu umarmen und zu schweigen. Das Finale der Oper bildet eine zweifelhafte Weisheit, die den Herren von Monthy Python als Inspiration für die Kreuzigungsszene in „Das Leben des Brian“ gedient haben mag: Glücklich sei der Mensch, der alles nur von der besten Seite nimmt und trotz der Wechselfälle des Lebens, über die er lacht, die Ruhe bewahrt.
Moderne Inszenierung mit kleinen Änderungen
Generalmusikintendant Reiners und Regisseurin Luise Kautz holen „Cosi“ aus dem Italien des 18. Jahrhunderts ins hier und jetzt. So spielen weite Teile der Oper in einer modern eingerichteten Wohnung (Design: Valentin Mattkas), wie man sie in einer Wohnzeitschrift finden könnte. Und auch Don Alfonsos (Jörg Sabrowski) erscheint bei seinem ersten Auftritt auf einem Rennrad, das er, natürlich, nicht etwa in der Ecke parkt, sondern an einer dafür vorgesehen Konstruktion an der Wand verstaut.
Und auch Dorabella (Tania Jibladze) und Fiordiligi (Vigdis Bergitte Unsgård) lernen wir dabei kennen, wie sie sich gegenseitig schwämerisch Fotos ihrer Geliebten auf dem Smartphone zeigen.
Einzig, dass Ferrando (César Cortés) und Guglielmo (Samuel Chan) nicht in den Krieg gerufen werden, sondern auf „Feldforschung“ geschickt werden und sich so mit Wanderrucksack und in Outdoor-Kleidung von den Damen verabschieden, irritiert ein wenig. Was für eine Exkursion soll das sein, die die beiden zur sofortigen Abreise zwingt? Da ist Krieg schon ein weitaus besseres Argument.
Auf der anderen Seite ist Logik ja ohnehin nicht die allergrößte Stärke von „Cosi“. Erinnert sei daran, dass Dorabella und Fiordiligi ihre Männer nicht wiederkennen, nur, weil diese kostümiert sind. Und vielleicht ist es dieser Tage auch einfach das nettere Bild, einen Chor von Wandersleuten statt von Soldaten auf der Bühne zu sehen. Puristen müssen bei der aktuellen Kieler Inszenierung also über eine zusätzliche Logikschwäche hinwegsehen.
Wer sich aber darüber nicht zu sehr aufregt und die Schauspiel weiter folgen kann, wird mit tollem Spiel und großartigen Sangesleistungen belohnt! Dazu trägt neben dem hervorragenden Ensemble der Liebenden und Don Alfonso auch Xenia Cumento bei, die die Despina gibt. Und das auf kielerleben.de bislang ausnahmslos immer gelobte Orchester stellt seinen guten Ruf ein weiteres Mal unter Beweis und macht so ganz nebenbei beste Werbung für die eigenen Konzerte.
Wie so oft lohnt sich auch der Erwerb des Programmheftes. Dort findest ich ein Beitrag über Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“. Denn wer um dieses Werk weis (und vielleicht darüberhinaus noch den darauf basierenden Tom-Cruise-Film „Eyes wide shut“ gesehen hat), kann während der Aufführung mehr Zeit mit dem Genießen und Bewundern der Kostüme con Charlotte Werksmeister und Hannah Barbara Bachmann verbringen, denn sich (vor allem über tierische Masken) zu wundern.
Wer „Cosi fan tutte“ selbst im Kieler Opernhaus erleben möchte, hat dazu in diesem Jahr noch am 7., 9., 12., 21. und 23. Oktober, sowie dem 12. November und am 22. Dezember Gelegenheit. Karten gibt es wie immer auf www.theater-kiel.de und telefonisch unter 0431 - 901 901.