DJ Gary ist die bekannteste DJ-Größe in der Kieler Szene. Seit über 35 Jahren animiert er die Fördestädter zum Tanzen. Doch seine Platten an den Nagel hängen will der 65-Jährige noch lange nicht.
Kieler Woche, Alter Markt, pumpende Bässe. Vor der Haifischbar-Bühne drängen sich wild tanzende Menschen. „Eure Hände, ich will eure Hände sehen!“, brüllt der DJ ins Mikro. Schweißperlen laufen über sein überraschend faltenreiches Gesicht. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass der Musikanimateur mit dem schulterlangen, weißblonden Haar schon hunderte Partys gefeiert haben muss.
Was Gerd Mangels alias DJ Gary in der Kieler Woche seinem 65-jährigen Körper abverlangt, würde bei vielen Altersgenossen einen dreimonatigen Sanatoriumsaufenthalt nach sich ziehen. Sein Geheimrezept: Spaß im Leben und natürlich – die Musik. Die spielte im Jugendalter des gebürtigen Kielers bereits eine große Rolle. „Wenn die anderen draußen unterwegs waren, habe ich mich zu Hause vergraben und stundenlang Schlager gehört“, erzählt er. „Und ich habe meiner Schwester immer ihre Platten geklaut“, ergänzt er mit einem schelmischen Grinsen. Beruflich blieb es mit einer Ausbildung zum Großhandelskaufmann und seiner Arbeit beim Grenzschutz in Lübeck bodenständig, das sei damals so üblich gewesen. Musik wurde in der Freizeit gemacht. „Wir hatten diese Kostüme mit Glitzer auf der Brust.“ Gary schaut sich alte Fotos von seiner 1963 gegründeten Band an und prustet los. Seine lange Wallemähne hatte er schon damals. Von „Five Times“ über „Die Totalen“ bis hin zu „Butterfly“ – der Bandname wechselte in 13 Jahren so häufig wie der Musikstil. Natürlich wurde auch in bester Manier à la „Deep Purple“ und „Led Zeppelin“ gerockt. „Das waren wilde Zeiten. Als Sänger und Schlagzeuger hatte ich bei den Frauen ein Stein im Brett“, sagt er augenzwinkernd.
Nebenbei versuchte er sich als DJ. Besonders seine Auftritte in Kiels damals größter Disco „Queens Garden“ an der Waldwiese machten ihn in der Szene bekannt. 1972 dann der legendäre Auftritt im Hotel Fördehochhaus in Friedrichsort, durch den er seinen Namen erhielt. Stolz holt der flippige 65-Jährige, der zu Polohemd und Blue-Jeans bunt gestreifte Sneaker trägt, das Plakat hervor. „DJ Gary“ steht in großen Buchstaben darauf. „Der Veranstalter hat mir einfach diesen Namen verpasst, ,DJ Gerd‘ fand er wohl uncool.“
Als die Bandaufträge 1976 immer weiter abnahmen, machte sich der Kieler mit seiner ersten Discothek „Joy“ am Alten Markt selbstständig. Beim Erzählen leuchten seine Augen. „Das waren die besten 16 Jahre meines Lebens.“ Das „Joy“ sei jeden Abend rappelvoll gewesen, erinnert er sich, springt auf und ahmt den legendären Tanzschritt von John Travolta in „Saturday Night Fever“ nach. Der Film habe einen Tanz-Boom ausgelöst, „das waren die Hochzeiten der Discos“. Künstler wie Jennifer Rush, Boney M. oder Baccara gaben sich im „Joy“ die Klinke in die Hand. „Ich hatte immer die neueste Musik auf Lager“, berichtet Gary. „Ich flog dreimal im Jahr nach Ibiza und brachte die angesagtesten Platten mit.“ Als Anfang der 90er Jahre Großraumdiscotheken wie das „MAX“ und die „Traum GmbH“ in Kiel eröffneten, musste der selbst ernannte „Kieler Disco-Papst“ die Pforten des „Joy“ schließen. „Die Pacht wurde zu hoch und die Einnahmen zu klein“, erzählt er mit Wehmut in der Stimme.
Doch aufgeben kam für Gary nicht in Frage. 1992 machte er seine Discothek „Gary’s Tanztreff“ am Theodor-Heuss-Ring auf. Mit der Umstellung auf den Euro sanken jedoch die Umsätze. Auch die 2001 am Alten Markt eröffnete Bar „Gary’s Life“ floppte. „Aus Tiefschlägen habe ich neue Kraft geschöpft“, sagt er und streicht sich über den Dreitagebart. „Ich bereue nichts. Jede Zeit hatte auch etwas Positives.“
Inzwischen führt er seit 2003 „Gary’s Tanz Tempel“ in der Rendsburger Landstraße. Vor allem die Kieler mittleren Alters schwofen hier regelmäßig übers Parkett. Sie kommen wegen der Atmosphäre, der Musik und wegen Gary. „Ich bin anders als andere DJs“, beschreibt er. „Ich kann moderieren, singen und die Leute animieren. Das nennt man Entertainment.“ Ob Großveranstaltung oder Discoabend mit zehn Gästen, ob Jung oder Alt – der DJ mit der wippenden Matte und der rauchigen Stimme reißt alle mit. Dabei kommt Musik von Michael Wendler bis David Guetta auf den Plattenteller. Er selbst hört am liebsten „Cool & The Gang“, „Earth, Wind & Fire“ oder „AC/DC“.
Mitte der 80er habe er sogar mal fünf eigene Songs herausgebracht, erzählt er, und schiebt seine Autogrammkarte über den Tisch. „Gary Man – D.J., Moderator, Entertainer und Sänger“ steht hinten drauf. Das Foto auf der Vorderseite zeigt ihn mit buntem Hawaiihemd, Bart und obligatorischer Fönfrisur – eine Mischung aus Thomas Gottschalk und Jürgen von der Lippe. Im Ohr trägt er einen Glitzerohrring. Genau wie heute. „Mit ,Walking Talking‘ war ich auf Platz 39 der ,R.SH-Nordparade‘“, sagt Gary begeistert und stimmt spontan den Refrain an. „Und ich war auf Deutschlandtournee.“ Es sei schön gewesen, danach habe er sich aber wieder um andere Dinge kümmern müssen: das „Joy“ und sein Projekt „Disco für Menschen mit Behinderungen“.
Mittlerweile seit über 30 Jahren veranstaltet der Kieler ein Mal im Monat einen Discoabend für Menschen, die anders sind – Mongoloide, Menschen mit geistiger Behinderung, Leute im Rollstuhl. Der Eintritt ist kostenlos, und alle Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich. „Warum sollen behinderte Menschen nicht in die Disco gehen? Sie wollen feiern wie alle anderen auch!“ Und wie sie feiern: Sobald Gary den ersten Song auflegt, strömen sie auf die Tanzfläche. Hemmschwellen kennen sie nicht. „Davon können sich Menschen ohne Behinderung eine Scheibe abschneiden“, sagt der DJ. „Die brauchen immer erst drei Bier, bevor es richtig los geht.“ Für sein Engagement wurde er im Dezember 2012 mit dem Integrationspreis des schleswig-holsteinischen Landesverbands des Sozialverbands Deutschland ausgezeichnet. Doch der 65-Jährige bleibt bescheiden. „Es bringt mir einfach Spaß, Leute lächeln zu sehen.“
Jede Menge Spaß gibt es auch wieder zur Kieler Woche, wenn Gary wie gewohnt die Haifischbar zum Beben bringt – und das seit über 35 Jahren mit vollem Körpereinsatz. Wer erlebt, wie der Kult-DJ fünf Stunden lang ohne Pause singt, tanzt und Luftgitarre spielt, der weiß: Musik hält jung. „Ich mache weiter, so lange ich noch gehen kann. Zur Not stelle ich mein Keyboard oben auf den Rollator“, sagt Gary und bricht in rasselndes Gelächter aus. Dieses Jahr wird er ganz sicher noch keinen Gehwagen brauchen.
Kieler Woche mit DJ Gary · Bühne Haifischbar
Fr, 15.6., 20 Uhr Soundcheck
Sa, 16.6., 20 Uhr Holstenbummel-Dance Hands up & Charts
So, 17.6., 20 Uhr Discobox
Mo, 18.6., 20 Uhr Gary’s ultimative Chartshow
Di, 19.6., 20 Uhr Gary’s Ü30
Mi, 20.6., 20 Uhr All Ages Party
Do, 21.6., 19.15 Uhr Gary & Friends
Do, 21.6., 21 Uhr It’s Partytime
Sa, 23.6., 19 Uhr Feiern wie früher