A capella meets Metal, Rap paart sich mit Radiopop und dazwischen kam das Ensemble in process. Seine zwölf Mitglieder entstammen den Bereichen Jazz-, Klassik- und Avantgarde. Was die Musiker vereint, ist ihr Wunsch, Minimal Music zu spielen. Eine nicht eben geläufige Stilrichtung. Doch die gut über hundert Zuschauer klatschten am vergangenen Sonnabend freundlich und zeigten sich angetan. Dabei war es nicht immer einfach, der besonderen Musik dort zwischen Straße und Wasser zu lauschen.
Sie ist schon ein ganz besonderer Ort für Konzerte, die Bühne im Bootshafen. Auf dem Wasser spielt die Musik, am Ufer sitzen die Menschen und hinter ihnen wird ausgeschenkt im Bierpilz. Die weitere Szenerie ist geprägt von den fernen Werftkränen und der nahen Karstadtruine. Bei gelöster Stimmung gab und gibt es dort noch bis zum 27. August ein buntes Programm aus Musik-, Tanz- und Literaturdarbietungen, Freitags von 15 - 23 Uhr und Sonnabends von 13 - 23 Uhr. Die meisten Zuhörer am letzten Samstag hatten bereits die Vorgruppe gehört, eine Kieler Amateurband in goldenen Perlonhemden mit eigenartiger Mischung aus Sprechgesang und Fast-Food-Pop, als der Moderator um 20 Uhr die Gruppe „chiffren“ ankündigte.
Chiffren? Das Konzert war zugleich eine Veranstaltung des Vereins chiffren – musik neu entdecken. Der Ensembleleiter Ulli Götte korrigierte dies noch kurz und schon ging es los. Zunächst fingen fünf Klangholzspieler mit reiner unplugged Perkussion die Aufmerksamkeit des Publikums ein. Anschließend wurden vier durchaus verschiedenartige Werke der Minimal Music gegeben. Sie reichten von afrikanisch beeinflussten Eigenkompositionen bis hin zu Flow von Philip Glass, einem der Erfinder der Minimal Music. Letzteres Stück ist gewissermaßen ein Gassenhauer der Minimal Music. Diese entstand in den 1970er Jahren. Inspiriert von außereuropäischer Musik aus unter anderem Afrika und Indien suchten Komponisten wie Terry Riley, Steve Reich und Philip Glass neue Wege jenseits der alten Pfade europäischer Klangtraditionen.
Zuhörer und Zuschauer
Die gegebenen Stücke stellen für heutige Hörgewohnheiten keine allzu große Irritation mehr dar. Wer gekommen war, Musik zu hören, auch ohne Kenntnis der Minimal Music, der kam hinsichtlich der Darbietung des Ensembles in process auf seine Kosten. Jedoch, bei Open Air mitten in der Stadt unvermeidlich, gab es zahlreiche Nebengeräusche. Nicht eben leise geführte Unterhaltungen, so in einem Fall ganze vierzig Minuten zum Thema Stricken und Maschinenwäsche, sowie auch Möwen, Kirchenglocken, Straßen- und Fördegeräusche hatten Ihren Anteil an der Gesamtklangkulisse. Tiefpunkt war die lautstarke Pöbelei eines angetrunkenen Bierpilzkunden.
Dies führte zu einem durchaus gespaltenen Urteil der Zuhörer und Zuschauer zu Konzert und Ort. Zufällige Zuschauer fanden das Konzert gut und störten sich wenig an Plaudereien und Nebengeräuschen. Jene Zuhörer, die sich darauf gefreut hatten, das Deutschland weit bekannte Ensemble dieser nicht eben häufig in Kiel zu hörenden Musikrichtung, erleben zu dürfen, zeigten sich etwas enttäuscht. Denn tatsächlich war es nicht wirklich einfach, sich ganz auf die Musik zu konzentrieren. Laute Populärmusik aus fetziger Gitarre und tiefen Bässen verträgt sich vielleicht besser mit den zahlreichen Umgebungsgeräuschen des Bootshafens als die differenzierte Klangqualität der Minimal Music. Die Gelegenheit einer neuen Hörerschaft diesen Zweig der Neuen Musik zu Ohren zu bringen, mag allerdings zugleich ihren eigenen Wert haben.
Weitere Termine und Kontakthinweise:
Das Ensemble in process hat sein nächstes Konzerte am 24.9. in Hamburg, St. Michaelis. Weitergehenden Informationen zum Ensemble finden sich auf seiner Internetpräsenz: www.minimal-music.com
Das nächste Konzert im Rahmen von chiffren findet am 20.9. im Kieler Schloss statt. Die Junge Deutsche Philharmonie spielt Werke Neuer Musik. Wer neugierig geworden ist auf Neue Musik in Kiel, kann sich bei chiffren selbst hier näher informieren: www.chiffren.de