Vehbi Can Yesil (26) tanzt für sein Leben gern – und das mit Erfolg. In der Verfilmung seines Lebensweges spielt er sich sogar selbst und beweist Schauspieltalent vor der Kamera.
Wenn sich Vehbi Can ruckartig zu Hip Hop und Crossover-Musik bewegt, fühlen sich laienhafte Beobachter*innen schnell an 20er-Jahre-Stop-Motion-Filme erinnert, wie sie Stan Laurel und Oliver Hardy in bester Slapstick-Manier perfektionierten. Mit Comedy hat Tanzen für den gebürtigen Kieler allerdings weniger zu tun als mit zum Teil improvisierter Perfektion. „Krumping“ heißt der Stil, den Vehbi Can zu seiner Paradedisziplin auserkoren hat und ihn von den Kieler Amateurbühnen erst in die Nationalmannschaft beförderte, bevor er nun vor den Kameras performte, die seine eigene Lebensgeschichte verfilmten.
Für die Welt da draußen gerüstet
Wegen einer angeborenen Fehlbildung kam der 26-jährige Sohn türkischer Eltern mit nur einer Hand auf die Welt. Zwangsläufig lernte Vehbi das Schreiben also mit links (etwaige Wortspiele sparen wir uns an dieser Stelle). Weil seine Familie wusste, wie grausam Kinder und Jugendliche sein können, bereiteten sie ihn dementsprechend auf die Konfrontation mit zweihändigen Gleichaltrigen vor. So ging der heranwachsende Kieler offensiv mit seinem Handicap um und lernte im Alter von nur neun Jahren seine Begeisterung für Musik sowie dessen Ausdruck durch das Tanzen kennen. Sein älterer Bruder erkannte schnell das Potential des jüngeren Familienmitglieds und förderte Vehbi Cans Talent, indem er ihn mit auf die Bühnen von lokalen Wettbewerben in der Landeshauptstadt nahm. Hier genoss Vehbi wachsende Anerkennung – Gleichaltrige zollten ihm Respekt.
Die Rolle seines Lebens
Für ein Studium des International Managements ging der angehende Tänzer zunächst nach Hamburg, bevor er in Deutschlands Hauptstadt Berlin unter Gleichgesinnten an seinem Talent akribisch feilte und Kontakte in die Welt der Künstler*innen knüpfte. Das sollte sich auszahlen: nach seinem Sprung in die Nationalmannschaft fürs Krumping, mit der er bereits vier Mal den Weltmeistertitel holte, wurde Filmemacher Neco Çelik auf den Kieler aufmerksam und nahm seine Geschichte als Inspiration für eine Verfilmung, bei der den fiktiven Charakter Kian in der Hauptrolle spielt. Die Serie „Crews and Gangs“ handelt von den Konflikten zweier Generationen. Kian, dessen Ziel es ist, der beste Tänzer zu werden, steht dazwischen. Dabei ist das Drehbuch zum Teil an sein Leben angelehnt, zu einem anderen Teil jedoch mit einigen weiteren Highlights gespickt. Schauspielerisch werden wir in Zukunft wohl viel von Vehbi Can hören und sehen, der mit neuen Rollen auf sich aufmersam machen wird.
„Ich möchte Menschen mit einer Disability (dt.: Behinderung), das Wort Disability anders erklären: This is an ability (dt.: Das ist eine Fähigkeit)“,
sagt der Profitänzer.
Ein weiteres bezeichnendes Projekt befindet sich bereits in den Startlöchern: Vehbi steht bereits in Kontakt mit einer großen Firma für Reißverschlüsse. Als „Diffability“ wird in Zukunft ein Reisverschluss produziert, der durch einen Magneten ein barrierefreies und schnelleres An- und Ausziehen ermöglicht.