Der zweite Teil ihrer „Alles auf Rausch“-Tour führt die Punkband Feine Sahne Fischfilet auch nach Kiel – und zwar gleich zwei Mal: Da das Konzert am Freitag in der Halle400 bereits nach sechs (!) Tagen ausverkauft war, wurde ein Zusatzkonzert am Donnerstag initiiert, für das ebenfalls bereits Wochen zuvor alle Tickets restlos vergriffen waren. KIELerleben war beim ersten der beiden Shows dabei.
Die wartende Menge ist gut drauf an diesem Donnerstagabend - und voller Vorfreude. Das wird spätestens dann deutlich, als bereits vor Konzertbeginn zu vom Band abgespielten Klassikern wie „Halbstark“ fröhlich vor der Bühne Pogo getanzt wird. Um 21.20 Uhr eröffnen Feine Sahne Fischfilet mit dem brachialen „Zurück in unserer Stadt“ den Abend und drücken direkt aufs Gaspedal. Binnen Minuten wird aus der voll besetzten Halle eine wohl temperierte Sauna, gerade im Bereich vor der Stage fließt der Schweiß umgehend in Strömen. Und wenngleich Sänger Jan „Monchi“ Gorkow von Beginn an in regelmäßigen Abständen die tanzende Meute mit Bierduschen aus Plastikflaschen abkühlt, so wird spätestens bei „Angst frisst Seele auf“ deutlich, dass das Ganze keine reine Spaßveranstaltung ist, sondern der Band viel daran gelegen ist, wertvolle Botschaften zu senden. Der Song sei der Linken-Politikerin Katharina König-Preuss gewidmet, die sich entschieden gegen örtliche Nazis positioniere und deshalb schon Morddrohungen erhalten habe, berichtet Monchi. Natürlich wird auch zu diesem Song gepogt, doch die Message bleibt hängen. „Spaß haben und feiern, aber auch auf gesellschaftliche Probleme hinweisen und zum Nachdenken anregen“ – so kann man das Motto der Gruppe aus Mecklenburg-Vorpommern beschreiben.
In der Folge werden zwischen zum Tanz quasi zwingende Hits wie „Wasted in Jarmen“ oder „Alles auf Rausch“ auch balladeske Lieder wie „Alles Anders“ und „Niemand wie ihr“ gestreut. Die längste Ansage von Monchi in Richtung Publikum erfolgt zu „Suruc“. Mit dem Hinweis, dass es von der Stimmung her zwar eigentlich jetzt nicht passe, berichtet der Leadsänger von dem Hintergrund des Songs, sprich den Erlebnissen einiger Bandmitglieder als Flüchtlingshelfer in Syrien samt eines Selbstmordattentats durch den IS, sodass wohl jedem im Raum klar wird, dass solch ein Song in der heutigen Zeit sehr wohl passt. Und zwar immer.
Nach 70 Minuten folgt die erste Zugabe – und die nächste wichtige Ansage: Wenn eine Partei, in deren Name das Wort „Christlich“ enthalten sei, sich gegen die Rettung von Menschen im Mittelmeer stelle, laufe einiges falsch, kritisiert Monchi. „Egal, ob Juden, Christen oder Muslime – es sind Menschen“, stellt der Frontmann von Feine Sahne klar und leitet damit den Song „Zuhause“ ein. Nach „Wir haben immer noch uns“ verlassen die sechs Musiker erneut die Bühne, um unter tosendem Applaus erneut zurückzukehren. „So viele Leude an einem Donnerstachabend“, frohlockt Monchi in breitestem norddeutschem Slang, ehe Christoph Sell das bewegende „Warten auf das Meer“ anstimmt. Die mittlerweile klatschnassen Zuhörer sind gut vorbereitet und sorgen mit vielen Wunderkerzen für das passende Ambiente. Einer spontanen Rudereinheit der Fans auf dem rutschigen, weil von Bier und Schweiß getränkten Hallenboden zu „Wo niemals Ebbe ist“ folgt das große Finale, denn den Abschluss des Abends bildet - natürlich und dem Zustand des Publikums entsprechend – der Überhit „Komplett im Arsch“.
Und so bleiben am Ende nicht nur zwei Stunden voller Bierduschen, Ekstase und Glückseligkeit, sondern auch viele bedeutende, weil jeden Einzelnen betreffenden Botschaften in Erinnerung.
Hinweis noch an alle Konzertgänger des Freitags: Plant Zeit nach dem Konzert an der Garderobe. Am Donnerstag ereigneten sich dort bereits abenteuerliche Szenen. Oder lasst eure Jacke einfach vorher im Auto, um diesem Stress zu entgehen und das überragende Konzerterlebnis nicht durch stundenlanges Warten in der dicht gedrängten Menschenmenge vor der Jackenrückgabe zu trüben.