Daniel Huppert und Sergei Dogadin beeindrucken gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester das Kieler Publikum.
Die Kieler Philharmoniker sind immer für eine Überraschung gut und so ist auch dieses Konzert abwechslungsreich und mit gleich mehreren Höhepunkten versehen. Den Anfang macht „Hava“ der finnischen Komponistin Lotta Wennäkoski, das vor allem durch die weitgehende Abwesenheit von Melodien glänzt. Das ist kein Sarkasmus, denn das noch junge Werk (2007) bietet andere Anreize, irritiert das Ohr und lädt ein, genauer hinzuhören. Der Titel der Komposition ist dabei ein Kunstwort, verrät Wennäkoski im Programmheft, das an die finnischen Begriffe „havina“ für Rascheln und „havahtua“ für das Aufwachen aus dem Schlaf oder Traum erinnert, womit das musikalische Werk tatsächlich ganz gut beschrieben ist.
Das Highlight des Vormittags ist allerdings das zweite aufgeführte Werk. Wer an philharmonische Musik und Finnland denkt, kommt an einem Namen nicht vorbei: Jean Sibelius, der eigentlich Johan Julius Christian Sibelius hieß, gilt as finnischer Nationalkomponist. Sibelius ist einer der wenigen Komponist:innen aus Finnland, die über die Grenzen des Landes hinaus zu echtem Ruhm kamen.
Im deutschsprachigen Raum wird er vor allem für sein (einziges) Violinkonzert gefeiert, das auch hier zur Aufführung kam. Sibelius hatte das Werk auf Anregung des Geigers Willy Burmester, der auch als Solist für die Uraufführung vorgesehen war, komponiert. Aus finanziellen Gründen musste die Premiere allerdings aus Berlin nach Helsinki verlegt werden, was dazu führte, dass Burmester aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen konnte. Der „Ersatzgeiger“ Viktor Nováček war den technisch hochgradig anspruchsvollen wohl aber nicht gewachsen, weshalb das Werk zunächst floppte.
Ein ähnlicher Ausgang war in Kiel nicht zu erwarten. Als Solist geladen war schließlich Sergei Dogadin, der mit seinen 35 Jahren schon sehr viel erreicht hat. Nicht nur ist der Russe Gewinner des 16. internationalen Tschaikowsky-Wettbewerbs (2019), er kann auch auf zahlreiche Auftritte mit ein paar der interessantesten und besten Orchestern der Welt zurückblicken.
Und tatsächlich meisterte der Stargast selbst die komplexesten Passagen mit, so scheint es, großer Leichtigkeit und mit nicht minder großen Energie, die das Publikum in seinen Bann schlägt. Als Zugabe präsentiert Dogadin das Paganini Variationen über die Arie „Nel cor più non mi sento“ aus der komischen Oper „La Molinara“ von Giovanni Paisiello, das Stück also, mit dem er den bereits erwähnten Tschaikwosky-Wettbewerb für sich entscheiden konnte.
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Dogadin war jedoch nicht der einzige Gast von Rang und Namen: Durch das gesamte Konzert führte das Orchester der Dirigent Daniel Huppert. Der 1980 in Kaiserslautern geborene Generalmusikdirektor der Bergischen Symphoniker sowie Chefdirigent und künstlerische Leiter der Zuger Sinfonietta, gehört ohne Zweifel zu den gefragtesten deutschen Dirigenten seiner Generation. Warum das so ist, wird auch in Kiel schnell klar: stringent, klar und doch auch elegant ist seine Arbeit am Taktstock.
Abgerundet wurde der Konzertvormittag mit einem Vortrag der Sinfonie in d-Moll von César Franck aus dem Jahr 1888, die ein Aushängeschild französischer Kompositionskunst ist. Dabei ist sie, wie auch der in Lüttich als Sohn deutscher Eltern geborene Franck, ein Hybrid aus beiden Kulturräumen und bewegt sich zwischen französischer Eleganz und deutscher Strenge. Neben ein paar formellen Besonderheiten, die vor allem für Kenner:innen von Interesse sind, bleibt die Sinfonie in d-Moll auch wegen des gefühlvollen Einsatzes des Englischhorns im Gedächtnis.