Wenn Jürgen Nolte am Silvestertag 2023 nach 45 Jahren die Türen der Fleethörn-Apotheke schließen wird, geht eine Ära zu Ende – nicht nur jene einer stadtbekannten Institution. 45 Jahre nachdem Herr Nolte das Geschäft am Knooper Weg 44 übernahm, hat seine Tochter nun eine Idee, wie es dort weitergehen könnte.
Kiel hat viele Geschichten zu erzählen, und manche davon sind so eng mit unserer Stadt verwoben, dass sie fast zu einem Teil ihrer Identität geworden sind. Eine solche Geschichte schreibt die Fleethörn-Apotheke am Knooper Weg 44, die nach stolzen 100 Jahren ihre Türen für immer schließen wird. Ein Ort, an dem sich nicht nur Rezeptwünsche erfüllten, sondern mit dem die alte Apothekentradition, unzählige Begegnungen und Geschichten verbunden sind.
Geschichte der Apotheke förmlich spürbar
Jürgen Nolte führte das Geschäft gemeinsam mit seiner Frau, und nun, im Alter von 74 Jahren, soll ein Lebenswerk in Bauschutt-Containern enden. Diese Entscheidung hat sowohl wirtschaftliche als auch persönliche Gründe, aber sie hinterlässt dennoch eine große Leere in den Herzen derjenigen, die hier oft ein- und ausgingen. Als Jürgen Nolte in seinem Büro steht und alte Fotoaufnahmen von vor über 100 Jahren betrachtet, spürt man die Geschichte, die in diesen Mauern lebt. Wo heute Autos den Knooper Weg entlangfahren, trotteten einst Pferde und Kutschen über das Kopfsteinpflaster. Jürgen Nolte wirkt gefasst, als hätte er mit diesem Kapitel abgeschlossen. „Ich bin mittlerweile immun", sagt er, und man kann die unzähligen Erfahrungen und Erinnerungen in seinen Augen sehen. Gern denkt er schon jetzt an die vielen Arbeitstage zurück, an denen er und seine Mitarbeiterinnen vor der Öffnung gemeinsam frühstückten und sich bei einer Tasse Kaffee unterhielten. „Das war jeden Morgen Tradition“, sagt der Apotheker.
Schwieriges Apotheker-Geschäft
Trotz der rückläufigen Verkaufszahlen brummt der Laden an diesem Tag, als wir den altehrwürdigen Inhaber der Fleethörn-Apotheke besuchen. Trotz eines Rückgangs der Kundschaft in den letzten Jahren, strömen viele alte Weggefährtinnen und -gefährten in die Apotheke, um sich von dem erfahrenen Apotheker und seinen Mitarbeiterinnen beraten zu lassen. Einer nach dem anderen holt sein Arzneimittel ab oder hält einen kleinen Plausch mit Jürgen Nolte und seinen Mitarbeiterinnen. Eine dieser Mitarbeiterinnen ist Martina Hilbert, Pharmazeutisch-Kaufmännische Assistentin, seit 35 Jahren in der Fleethörn-Apotheke. Nach der Schließung haben sie und ihre Kolleginnen neue Arbeitsplätze in anderen Apotheken gefunden. Doch die Apotheke hier wird fehlen. Jürgen Nolte ist gut vernetzt und berichtet, dass die Fleethörn-Apotheke nicht die einzige ist, die in naher Zukunft schließt. In rund 10 weiteren Apotheken gehen ebenfalls die Lichter aus, und das ist ein Zeichen für die Veränderungen, die die Apothekenbranche durchläuft.
Keine Stabübergabe innerhalb der Familie
Ein Blick zurück in die Anfänge zeigt, dass der 29-jährige Jürgen Nolte nach seinem Pharmazie-Studium in Marburg und einer Anstellung in einer Apotheke den Mut hatte, sich zusammen mit seiner Frau mit einer eigenen Apotheke in Kiel selbstständig zu machen. Er investierte er fast mehr als eine Viertelmillion DM in die Einrichtung, die noch heute in der Apotheke zu bewundern ist. Es wäre eine Tragödie, wenn diese wertvolle Einrichtung verloren ginge. Das veranlasste Tochter Nicole, sich mit einer E-Mail an unsere Redaktion zu wenden, um auf die Schließung des elterlichen Betriebs aufmerksam zu machen. Gemeinsam mit ihrer Mutter sortiert sie an unserem Besuchstag im Keller die Akten und Unterlagen der vergangenen Jahrzehnte. Sie durchstöbert nicht nur nackte Zahlen, sondern auch viele Erinnerungen. Sie selbst ist Apothekerin in Berlin und kann das Geschäft in Kiel nicht fortführen. Ihre beiden Brüder sind in anderen Branchen selbstständig tätig, sodass eine Weitergabe innerhalb der Familie nicht möglich ist.
Einrichtung und Räume suchen neue Besitzer*innen
Somit sieht es düster aus um die traditionsreiche Einrichtung und ihre Gegenstände wie Glasbehälter, Waagen, Mikroskope und Pistillen. Ein wahrer Schatz, der in absehbarer Zeit droht, für immer verloren zu sein. Besonders schade wäre es um den großen Apothekerschrank mit seinen vielen Aluminium-Schubfächern. Noch sind sie etwas krytisch beschriftet wie „EUGLUC“, „HAEMOR“ und „FAKTUL“, weil Medikamente in ihnen schlummern wie Aspirin, Tramkadin und Cattegutt. Denn sie warten auf ihren Abverkauf bis zum Ende des Jahres. Dann wäre Platz, um ihnen ein neues Leben einzuhauchen und ihnen einen neuen Zweck zu verleihen. Sie eignen sich beispielsweise prima als Werkzeugschrank. Schraubenzieher, Zangen und Lötkolben haben ausgesprochen viel Platz in den Schränken. Wer eine Verwendung für die überaus gepflegte Einrichtung der Fleethörn-Apotheke hat, kann sich gern vor Ort bei der Familie Nolte melden. Und auch für die Weiternutzung der Räumlichkeiten hat Tochte Nicole schon eine Idee: „Ich könnte mir sehr gut ein Café oder eine Bar vorstellen, die hier einzieht“, sagt Nicole Häußler. „Dann trinke ich morgens um neun Uhr einen Kaffee mit meiner Vater und schwelge in Erinnerungen.
Für Interessierte
Wer sich für die Weiternutzung der Räumlichkeiten interessiert, sollte sich am besten direkt bei der Hausverwaltung Schütt melden. Es ist eine Gelegenheit, ein Stück Kieler Geschichte zu bewahren und eine neue Geschichte zu schreiben.
Mit der Schließung der Fleethörn-Apotheke verabschieden wir uns von einer Institution, die uns viele Jahre begleitet hat. Die Erinnerungen und die Geschichte werden jedoch weiterleben, und vielleicht wird die Fleethörn-Apotheke in einer anderen Form noch viele weitere Jahre in den Herzen der Kielerinnen und Kieler präsent sein.