„Good morning ladies and gentlemen. Welcome on board of this flight to Kilimanjaro International Airport.“ So ungefähr könnte sich die Durchsage angehört haben, als Fynn und Daniel Nielsen aus Kiel im August zum Kilimandscharo aufgebrochen sind. Der KIELerleben-Redaktion haben sie erzählt, wie es danach weiterging.
Von der Idee zur konkreten Planung
Aus einer Schnappsidee entstehen wohl die besten Ideen. Das können zumindest die Brüder Daniel und Fynn Nielsen aus Kiel unterschreiben. Nachdem sie im Vorjahr einen Roadtrip durch die USA unternahmen, waren sie bereit für das nächste Abenteuer. Bei einem Mittagessen kam es also zu einer recht norddeutschen Unterhaltung:
Daniel: Wohin?
Fynn: Ich will irgendeinen Berg besteigen.
(nach einer kurzen Recherche im Internet)
Daniel: Kilimandscharo!
Fynn: Alles klar, machen wir!
Danach folgte die konkrete Planung. Sie lasen Erfahrungsberichte und klärten die wichtige Frage mit welcher Firma sie den Berg besteigen würden. Denn hoch kommt man nur mit einem Guide – und der richtigen Ausrüstung. Am Ende standen pro Person zwei Rucksäcke mit zehn und 80 Litern bereit, die alles beinhalten mussten: vom Schlafsack, der auch bei -20 Grad warm hält, über Kopflampe und Bergsteigerschuhe bis hin zu Klamotten, die sowohl für 18 Grad in der ersten Vegetationszone als auch für -10 Grad in der letzten Zone geeignet sind. Dazu kommen Proviant, Erste-Hilfe-Sets, isolierte Wasserflaschen, damit die Getränke bei der letzten Etappe nicht einfrieren, und noch vieles mehr. Um das Gepäck auf den Berg zu transportieren, ist eine gute Fitness wichtig. Über bestimmte Techniken muss man sich dabei weniger Gedanken machen, da der Aufstieg auf den Kilimandscharo es den Bergsteigern nicht abverlangt.
Doch trotz der guten Vorbereitung über sechs Monate hinweg blieben immer Bedenken: Was ist, wenn man es nicht schafft? Doch die Sorge war unbegründet. Mit einer guten Portion Ehrgeiz und der richtigen Einstellung, für die die beiden Guides Tami und Harold durchgehend sorgten, war es für die unerfahrenen Bergsteiger kein Problem, den Gipfel auf 5.895 Meter Höhe über die Machame Route zu erreichen. Das „positive thinking“ und „Hakuna Matata“ (Suaheli für „keine Sorgen“) halfen bei den letzten Metern, dem sogenannten Summit Push.
Der Berg und seine Tücken
Die meisten Reisenden können sich tatsächlich freuen, dass ihr Gepäck immer ins richtige Land geschickt wird. Bei Daniel und Fynn war das anders. Ihr Gepäck landete in Wien, statt wie gewünscht in Tansania. Sie bestiegen den Kilimandscharo vier Tage lang mit Leihmaterial und staunten nicht schlecht, als das Gepäck schließlich von einem Porter durch die Wolkendecke getragen und auf 4.000 Meter Höhe bei ihnen abgeliefert wurde.
Eine weitere Herausforderung war die Höhenkrankheit, die sich zum Beispiel durch Kopfschmerzen äußert, aber auch zum Tod führen kann. Daniel und Fynn hatten Glück, sie kämpften nur mit leichten Kopfschmerzen und Übelkeit, sahen aber auch Bergsteiger, die 20 Meter vor dem Ziel zusammenbrachen. Um den Körper an die Höhe zu gewöhnen, gingen sie an Aufstiegstagen zum Schlafen immer ein paar hundert Meter zurück, ganz nach dem Motto: „Climb high, sleep low“.
Und dann war da noch das Wetter – mal Segen, mal Fluch. Abgesehen von den -15 Grad in der Nacht, bei denen man nur komplett bekleidet und mit sehr gutem Schlafsack schlafen kann, hatte die kleine Gruppe gutes Wetter ohne Regen. Bis zum Gipfeltag.
Es war einer der stürmischsten Tage seit Jahren auf dem Kilimandscharo. Um Mitternacht begann der sechsstündige sogenannte Summit Push, die letzten 1.200 Höhenmeter zum Gipfel, in absoluter Dunkelheit mit nichts als Kopflampen und einem erfahrenen Guide, der auf einem 6.000 Meter hohen Berg mit Felsspalten und Klippen genau weiß, wo er hintreten muss. Bei den beiden Kielern kamen erste Zweifel auf. Doch mithilfe des erfahrenen Guides, der die Bergsteiger mit Kommandos wie „keep pushing“ und „positive thoughts“ antrieb, schafften sie es tatsächlich und als sie bei Sonnenaufgang am höchsten Punkt Afrikas standen, waren alle Zweifel ausgeräumt.
Die Kultur um sie herum
Durch die immer besser werdende Ausrüstung und die sinkenden Kosten ist der Berg über die Jahre hinweg touristischer geworden. Auf ihrer Reise lernten die beiden Kieler dennoch die Kultur um sie herum und die den widrigen Bedingungen angepasste Lebensweise der Einheimischen kennen. Neben den beiden Guides Tami und Harold, hatten sie auch intensiven Kontakt zu den Portern, die ihnen während des Aufstiegs halfen, das Gepäck zu transportieren. Das Schwierige war dabei die Kommunikation, denn abgesehen von den Guides sprach keiner der Einheimischen Englisch. Also haben sie sich mit Händen und Füßen unterhalten und lernten nebenbei ein paar Wörter auf Suaheli. Am meisten nutzten sie „maji ya moto“, was übersetzt „heißes Wasser“ bedeutet. Davon brauchten sie mehrere Kannen pro Tag, um den Körper auf Temperatur zu halten.
Auf ihrer gesamten Reise trafen sie auf Menschen, die am unteren Ende der Armutsgrenze leben, jeder zweite erkrankt an Malaria und mehr als das nächste Dorf haben die meisten noch nicht gesehen. Dennoch steigen sie jährlich bis zu 20 Mal auf den höchsten freistehenden Berg der Welt mit einer Freude, als wäre es das erste Mal. Es wurde viel gesungen, gelacht, getanzt und jede Kleinigkeit – vom mitgebrachten Haribo bis hin zum morgendlichen High Five mit den Portern – wird unendlich wertgeschätzt. Für Daniel und Fynn waren die Menschen auf dem Kilimandscharo eine große Inspiration. „Nach sieben Tagen ohne direkten Anschluss zur ersten Welt, in einer Umgebung, die so roh und unberührt ist und im Kontakt mit Einheimischen, deren Lebensmotto „Hakuna Matata“ ist, beginnt man zweimal darüber nachzudenken, ob unsere alltäglichen Probleme wirklich den Stellenwert haben sollten, den wir ihnen zuweisen“, erinnert sich Daniel.
Der Aufstieg
Dank der verschiedenen Vegetationszonen und des Wetters war jeder Tag anders, doch der tägliche Ablauf immer ähnlich. Jeder Tag begann um 6 Uhr morgens bei eisiger Kälte und endete nach circa acht Stunden Bergsteigen. Pausen fanden alle anderthalb Stunden für knapp 15 Minuten statt. Toiletten gab es nur in den Camps, Duschen gar keine. „Pole, pole“, zu Deutsch „langsam, langsam“, wurde ihnen als unerfahrene Bergsteiger immer wieder geraten, damit sie nicht zu schnell aufsteigen. Nach einem langen Aufstiegstag am Camp angekommen, kümmerten sie sich zuerst um die Logistik: Sie mussten alles für die Nacht und den nächsten Tag vorbereiten, verschwitzte Kleidung wurde so gut es eben ging getrocknet. „Nach dem Essen fällt man auch schon tot in den Schlafsack und schläft bis zum nächsten Morgen wie ein Stein“, berichtet Daniel.
Der letzte Aufstiegstag verlief etwas anders. Sie wanderten morgens und schliefen nachmittags im Base-Camp, namens Barafu Camp, auf 4.681 Metern. Um kurz vor Mitternacht standen sie wieder auf für den Summit Attempt. „Der Höhenunterschied von 1.200 Metern innerhalb von sechs Stunden kommt einem vor wie eine halbe Ewigkeit“, erinnert sich Fynn und erzählt weiter: „Circa eine Stunde vor dem Ziel erreicht man den sogenannten Stella Point. Von dort sind es eigentlich nur noch 100 Höhenmeter, aber es war die nervenaufreibendste Stunde unseres Lebens.“ Auf den letzten Metern bot ihnen der Berg zwischen Eisspitzen des Gletschers nur einen fußbreiten Weg zum Wandern und dann war da ja auch noch der Sturm. Jeder Meter, den sie sich fortbewegten, wurde gefühlt zu 50 Metern, was bei einem Sauerstoffgehalt von 50 Prozent auch nicht verwundert.
Oben angekommen, entschädigte der unbeschreibliche Ausblick sie für alle Strapazen. Auf einer Seite fiel der mit Schnee bedeckte Krater ab, auf der anderen lag das von der Sonne durchflutete Afrika. „Wir haben beide gelacht, überwältigt von Emotionen“, beschreibt Daniel ihre Gefühle bei dem Ausblick. Und das Beste: Zum Zeitpunkt des Aufstiegs im August war sowohl im Himalaya als auch auf den anderen Bergen über 6.000 Metern die Saison schon vorbei. Sie waren in dem Moment, in dem sie oben standen, die höchsten Menschen auf der Erde, Flugzeuge und ISS ausgenommen.
Wenn ihr noch mehr lesen wollt über den Aufstieg zum Kilimandscharo und andere Reisen von Daniel Nielsen,der inzwischen in England lebt, solltet ihr euch seinenenglischsprachigen Blog nicht entgehen lassen: www.ideafloodproject.com.