Susann Beucke (29) segelt seit sie sieben Jahre alt ist. Der norddeutsche Regatta Verein ist heute ihr Heimathafen. Vor 13 Jahren lernte sie Segelpartnerin Tina Lutz (29) kennen und führt seitdem eine erfolgreiche „Segelehe“ mit der Bayerin. Das Duo feierte in ihrer gemeinsamen sportlichen Karriere zahlreiche Erfolge, darunter den 1. Platz bei der Europameisterschaft 2017 und gleich zwei Siege bei der Kieler Woche. Aktuell trainiert das Team für die finale Olympia-Qualifikation im September für die verschobenen Spiele 2021 in Tokio/Enoshima. Als Sportsoldatin profitiert die 29-Jährige von den Freiheiten ihres Berufs, bei dem sie zeitlich nur selten eingebunden ist, und kann sich voll und ganz auf den Segelsport konzentrieren.
KIELerleben: Die olympischen Spiele 2020 in Japan wurden verschoben, als du und deine Segelpartnerin schon mitten im Training wart. Wie habt ihr reagiert?
Susann Beucke: Wir waren sehr erleichtert. Wir waren kurz davor, unser bestes Boot nach Japan zu schicken. Einen Tag vor der Verladung kam die offizielle Absage der Spiele. Wir dachten die ganze Zeit „Bitte, verschiebt diese Spiele“, damit unser bestes Boot nicht weg ist, ohne dass das Event stattfindet. Als das feststand, war ich extrem müde und bewegt und hab mich um 16 Uhr ins Bett gelegt und dachte, anscheinend nimmt einen das doch mehr mit, als man erwartet hätte. Aber unsere Existenz leidet nicht darunter und wir sind alle gesund. Für uns ist es sogar von Vorteil, weil wir gerade mit einem neuen Trainer angefangen haben zu trainieren und jetzt haben wir noch ein Jahr länger Zeit, unsere Systeme und Routinen zu festigen.
Was hat sich im sportlichen Miteinander durch die Krise verändert?
Ich merke auf jeden Fall mehr Solidarität zwischen den Seglern. Man fragt sich häufiger mal im Kraftraum „Hey, wie geht’s dir?“. Und wenn man eine schlechte Woche hatte und die ganze Zeit geheult hat, weil einen die Gesamtsituation belastet, dann ist das auch okay. Wir waren im August wieder im Trainingslager in
Dänemark und es war ganz anders, sich wieder zu sehen, wir haben uns alle so gefreut. Du hast gemerkt, wie tief die Verbindung zwischen den Seglern doch ist.
In diesem Jahr ist vieles anders. Was bedeutet die reduzierte Version der Kieler Woche für dich?
Ich fand es echt cool, dass die Kieler Woche sofort im April verschoben wurde, dann wussten alle, dass wir gar nicht erst planen müssen. Und dass das jetzt auch so durchgezogen wird, ist echt ein starkes Zeichen für die KiWo als Wahrzeichen für die Stadt. Es ehrt mich natürlich auch als Seglerin, dass der Segelveranstaltung Priorität vor dem Volksfest gegeben wird. Wir haben schon Mitte Juni gemerkt, dass das Interesse für eine Quali in Kiel groß ist, und haben dann im Wettkampfbüro angerufen. Es gab anfangs nur 50 Meldeplätze, dann konnten wir Wild Cards organisieren beim Wettkampfbüro und die Plätze erhöhen und dürfen jetzt unsere letzte Olympia-Quali in Kiel fahren. Für uns Segler wird sich ansonsten nicht viel ändern, außer dass wir beim Boote Rein- und Rauslassen Masken tragen müssen und Freunde und Familie nicht im Hafen sein werden.
Wirst du das fehlende Publikum vermissen?
Ja, das war eigentlich auch immer das, was die Kieler Woche ausgemacht hat. Der Fokus wird in diesem Jahr auf unserer Regatta liegen, weil es die einzige Olympia-Quali ist. Das hat auch den Vorteil, wen weniger Leute da sein können, dass es entspannter wird als die anderen Kieler Wochen. Der Druck ist für uns schon sehr hoch, aber sonst sind wir die ersten, die den Trubel zur Kieler Woche super finden. Ich als Kielerin finde es schön, dass hier sonst die Familie zuguckt. Vor seiner Heimatstadt zu gewinnen und Europameister zu werden, ist schon eine richtige Ehre.
Du hast die ganze Welt besegelt in den letzten Jahren, vermisst du manchmal dein Zuhause?
Total doll, man ist wirklich nie zu Hause. Das ist auch das größte Problem am Segeln. Ich wohne während des Sommers in einem Van, weil ich es hasse Taschen zu packen. Wir sind so viel unterwegs und die Routine abzuspielen, fällt mir einfacher, wenn ich immer alles dabei habe, was ich brauche. Deswegen lebe ich im Van seit März und fahre damit fast überall hin.
Wie bereitet ihr euch jetzt auf die Kieler Woche vor?
Ich mache mein Sportprogramm und ich schlafe sehr viel. Eine gute Mischung aus Anspannung und
Entspannung. Wir haben gerade jetzt eine Routine,
jeder Segeltag ist gleich. Aber wir haben keine Glücksunterhosen (lacht).
Das Interview führte Gina-Maria Kock