Für manche ist Plastik einfach nur Müll, für andere ist es wertvoll und dient nach einer kleinen Umwandlung einem neuen Zweck. Lennart Rölz verwendet Plastikmüll für seine Plektren.
Während einer Fahrradtour in Griechenland geschah es. Lennart Rölz wollte am Strand Gitarre spielen, hatte aber kein Plektron parat. Im Sand fand er Plastikmüll, schnitt sich kurzerhand ein Stückchen heraus und schlug damit die Saiten an. Manchmal muss man nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um auf die besten Ideen zu kommen. Aus der Notlösung in Griechenland entwickelte sich schnell eine Idee und daraus ein Hobby: Die Plektren aus Plastikmüll nahmen Form an.
Lennart ist sehr aktiv im Bereich Umweltbildung und arbeitet unter anderem beim Verein Ozeankind e. V. als Leiter und Koordinator der verschiedenen Stützpunkte (s. S. 34). Die Umweltschutzorganisation setzt sich in Deutschland und auf Sansibar gegen die Vermüllung der Meere ein, sammelt Müll und klärt insbesondere Kinder und Jugendliche auf. Mit dem Kieler Stützpunkt sammelt der Gitarrist regelmäßig Müll und wird häufig gefragt, was damit anschließend passiert. Im Normalfall haben die Teilnehmenden zu wenig Zeit, um den Müll zu verarbeiten. Mit den sogenannten Trash Picks (dt. Müllplektren) hat Lennart für sich eine Idee gefunden, um zumindest einen kleinen Teil des gesammelten Mülls weiter zu verarbeiten.
„Andere werfen das Plastik weg, ich mache daraus Plektren.“
Einzigartige Idee
Aus dem gesammelten Müll sortiert Lennart passende Plastikgegenstände raus, die er in seiner Werkstatt in einem Kieler Hinterhof verarbeitet. Dafür zerkleinert er Becher, Behälter oder Seile und schmilzt sie anschließend zu einem flachen Rohling. Aus diesem länglichen Streifen Plastik stanzt Lennart einzelne bunte Plektren. Sein Markenzeichen, abgesehen von den bunten Farbkombis: Die Plektren haben produktionsbedingt eine kleine Kante entlang der Mitte. Was ihn anfangs störte, fanden gitarrenspielende Testkandidat:innen vielmehr hilfreich, weil sie einem mehr Grip gibt. Also durfte die Kante bleiben.
Für die Verarbeitung eignen sich am besten die Plastiksorten PE und PP, weil sie zum Schmelzen niedrigere Temperaturen benötigen und nur wenig schädliche Dämpfe ausstoßen. Nachdem das Plastik in der selbst gebastelten Form geschmolzen ist, drückt Lennart – natürlich mit Schutzmaske und Handschuhen – den Deckel fest, um die Dicke zu bestimmen, und lässt den Rohling abkühlen. Mit dem Stanzer werden die einzelnen Plektren herausgelöst und bekommen zum Schluss noch den letzten Schliff. Fertig ist das Plektron aus Plastikmüll. Da der verwendete Müll immer unterschiedlich aussieht, gleicht keines dem anderen, alle Plektren sind einzigartig. Die Überreste der Fertigung werden direkt in der nächsten Charge weiterverarbeitet, damit möglichst wenig entsorgt werden muss.
Die Trash Picks bieten dieselbe Stabilität wie herkömmliche und sind in verschiedenen Härtegraden von 0,3 bis 1,2 Millimeter erhältlich. Perfekt, um damit besonders nachhaltige Gitarrentöne zu erzeugen. „Andere werfen das Plastik weg, ich mache daraus Plektren“, sagt der studierte Schiffbauer. Seine Arbeit im Umweltschutz findet überwiegend am PC statt. Da kommt das handwerkliche Hobby sehr gelegen.
Der Fahrplan für die Zukunft
Bei Plektren soll es nicht ausschließlich bleiben. Lennart möchte sein Handwerk weiterentwickeln. Vielleicht gibt es demnächst auch Lesezeichen, Knöpfe oder Lichtkunstwerke mit coolen Farbverläufen. Durch sein Hobby hat der gebürtige Hannoveraner viel über Recycling gelernt. Dazu gehört Wissen über die verschiedenen Materialien und ihre Verarbeitung, aber vor allem die Erkenntnis, wie wertvoll etwas sein kann, das eigentlich für den Müll bestimmt war. Zukünftig will Lennart sein Wissen in Workshops weitergeben. Die Planungen dafür sind in vollem Gange; wer also Interesse hat, kann ihn einfach anschreiben über Instagram @trash.pick.kiel. Wer lieber direkt mit einem eigenen Plektron Musik machen möchte, findet in verschiedenen Geschäften wie Kosmos in der Holstenstraße, Tragbar und Kerle in der Holtenauer Straße, InSound beim Bahnhof, veganski im Jungfernstieg und online bei www.etsy.de eine bunte Auswahl.
– Text & Bilder von Mirjam Stein