Ute Boeters feierte in diesem Jahr ihren 85. Geburtstag. Gleichzeitig ist ein Buch mit Künstlerinnen- und Künstlerportraitfotografien aus den Jahren 1974 bis 2023 von ihr erschienen. Lies jetzt, wieso ihr das Schicksal kurz zuvor böse mitspielte.
Ute Boeters ist herrlich norddeutsch direkt, wie ich beim ersten Telefonat bemerken durfte. Da schallte mir gleich ein fröhliches „Hallo, hier ist Ute Boeters. Du willst über mich schreiben“ entgegen. Und kaum hatte ich aufgelegt, saß ich schon bei ihr im Turmzimmer der Gründerzeit-Villa in der Beselerallee, um über ihr Leben, ihre Fotokunst und ihr neues Buch mit ihr zu sprechen. Dabei erfahre ich nach und nach, dass ihr Leben genauso kunterbunt ist wie die Henne mit Halskette über uns auf dem Turm. Und natürlich spielt die Fotografie darin eine Hauptrolle – und das bis heute.
Der erste Fotoapparat
Das Kreative habe sie von ihrer Mutter, die Meisterschülerin an der Kunstakademie in Dresden war, das Technisch-Naturwissenschaftliche von ihrem Vater, einem Diplom-Ingenieur. Er war es auch, der ihr, da war sie zwölf Jahre alt, ihre erste Kamera geschenkt hat: eine im Garten vor der Wehrmacht in einer Dose vergrabene Rolleiflex 4 x 4 von 1931. „Ich habe mir dann 1960 selbst beigebracht, Farbabzüge zu machen“, stellt Ute stolz fest. Der erste Auftrag ließ nicht lange auf sich warten: Der damalige Kieler Regisseur Dieter Reible fragte, ob sie bei Bühnenproben fotografieren könne. Daraus ergaben sich weitere Foto-Aufträge, unter anderem Führer für das Freilichtmuseum, erstes Kiel-Buch mit Jörg Talanow, Landesschau mit Aufnahme in den BBK. Aber als Mensch voller Bewegungsdrang schlug sie zunächst einen anderen Weg ein.
Ein erster Lebensentwurf
Ute absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Tanz- und Gymnastiklehrerin bei Ellen Cleve – für den Traum vom gesamtmusischen Unterricht auf der Muthesiusschule. Doch es kam anders. Sie machte gezwungenermaßen eine Ausbildung für Krankengymnastik bei Lubinus. 1963 heiratete sie, wurde Hausfrau und Mutter zweier Töchter. Bereits 1973 wurde Ute bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall so schwer verletzt, dass ihr Berufsunfähigkeit bescheinigt wurde und sie ihr Leben da neu aufstellen musste.
Die Fotokünstlerin
Die Frauenbewegung Anfang der 1970-er Jahre gab Ute den Mut, einen neuen beruflichen Weg einzuschlagen. In dieser Zeit entstanden die ersten Künstlerinnen- sowie Künstlerportraits und sie lernte viele Kunstschaffende im Land näher kennen. „Dadurch entstanden zugleich viele jahrzehntelange Freundschaften“, sagt Ute mit strahlenden Augen. „Ich wurde als Fotografin für verschiedenste Anlässe immer erfolgreicher. Dazu schrieb ich Kunstkritiken mit Fotos für die Kieler Rundschau und machte Fotos in Ausstellungen und für Kataloge sowie ein großes Kielbuch.“ 1980 stieg sie mit ihren Töchtern aus der Ehe aus, um selbstbestimmt leben zu können.
Das eigene Fotostudio
Doch Ute wäre nicht Ute, wenn mit ihrer Karriere als Fotografin alles glatt gegangen wäre. „Ich war zu erfolgreich und wurde von der Handwerkskammer aufgefordert, die Meisterprüfung nachzuholen, die 1983 zur Führung eines Fotostudios, wie ich es in der Beselerallee hatte, noch notwendig war“. Also fuhr sie von Kiel nach Hamburg zur Meisterschule zwischen, quasi einmal um die Welt, wie sie sagt, und zahlte 50.000 DM. Nach der bestandenen Meisterprüfung baute sie ihr stadtbekanntes Fotostudio aus und konnte sich da endlich auf das konzentrieren, was ihr die größte Freude bereitet: das Fotografieren und die Ausbildung von 23 Lehrlingen.
Das neue Buch
Als Bärbel Manitz für ein Buch anlässlich einer Basedow-Ausstellung in der Herbert Gerisch-Stiftung in Neumünster recherchierte, kam sie auf Ute, die Witwe Basedows, zu. In dem Karton mit Fotografien, die sie der Kunsthistorikerin zeigte, waren nicht nur Fotografien von Heinrich Basdow d.J., sondern von zahlreichen Kunstschaffenden Schleswig-Holsteins. Und schon war die Idee einer Ausstellung und kurz darauf auch eines Buchs entstanden. Die Ausstellung lief in der Galerie für Aktuelle Kunst in Achterwehr, das Buch „Köpfe der Kunst“ ist im Kieler Verlag Ludwig erschienen.
Köpfe der Kunst
Porträts von 53 Kunstschaffenden aus unserem Land, ein schönes Grußwort von Gisella Reime, ein sehr lesenswerter Essay von Bärbel Manitz, ein persönlicher Text von Ute Boeters sowie biografische Informationen zu den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern – das sind die Tatsachen des Buchs „Köpfe der Kunst“. Darin aber findet sich das Who is Who der schleswig-holsteinischen Kunstszene in grandiosen Portraitfotografien von Ute Boeters. Und Ute kann zu jedem einzelnen Foto in dem Buch tolle Geschichten erzählen. Ihr Lieblingsbild ist eine neue Aufnahme von Heidrun Borgwardt. In Grün gewandet steht die Künstlerin mitten in der Natur ihres Gartens. „Ich wachte eines morgens auf und hatte die Idee zu dem Bild.“ Die Aufnahmen von Peter Nagel von 1986 stammen von einer Session bei Ute im Studio zum Thema „frozen movements“.
„Peter brauchte Fotos zum Studium von Faltenwürfen bei eingefrorenen Bewegungen. Also haben wir Matratzen im Studio ausgelegt, eine Stange zwischen zwei Leitern geschoben, an die sich Peter im Anzug gehängt hat.“ Es ist eine Wonne Ute zuzuhören, wenn sie von Gottfried Brockmann auf dem Wochenmarkt oder Heinrich Basedow d.J. vor einer Buche, seinem Lieblingsbaum, stehend erzählt. Doch dann ist unsere Zeit vorbei und Ute hat noch weitere Termine an diesem Tag. Ich aber nehme mir fest vor, wiederzukommen, um noch mehr Geschichten zu hören.