Die Band Kraftklub ist eine laute Stimme ihrer Generation, mit Texten voller Ironie. Vor ihrem anstehenden Konzert am 10. November in der Wunderino Arena sprechen Sänger Felix Brummer und Gitarrist Steffen Israel über ihre Zusammenarbeit mit Tokio Hotel, Heimatverbundenheit und „professionelles“ Wegrennen.
In „Teil dieser Band” heißt es „Ich kann nicht singen/Ich spiel kein Instrument/Aber alle am Springen/Und ich schrei den Refrain”. Wundern Sie sich manchmal selbst, dass Sie jetzt schon so lange von der Musik leben können?
Felix Brummer: Es ist auf jeden Fall ein durchgehendes Wundern. Im Sommer hatten wir das Vergnügen, mit einer studierten Musikerin zusammenarbeiten zu dürfen, die Max zeitweise am Schlagzeug ersetzt hat. Da hat man gemerkt, wie es ist, mit richtigen Profis zu spielen. Die Philo konnte an zwei Tagen erlernen, was wir uns in zehn Jahren im Proberaum mühsam draufgeschafft hatten.
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Sie hätten ja auch einen Uni-Abschluss machen und ein ruhiges, bürgerliches Dasein fristen können. Warum haben Sie ausgerechnet diese „seltsame“ Lebensform gewählt?
Steffen Israel: Meine Eltern übten nie Druck auf mich aus. Sie freuten sich, als ich anfing Medientechnik zu studieren, aber ich habe es nicht zu Ende gebracht. Meine Eltern unterstützten mich dann auch bei meiner Musik sehr.
Brummer: Das liegt auch an der Sozialisierung durch die DDR. Bei der Generation unserer Eltern spielte der Erwerbsdruck nie eine große Rolle. Das Vorsichhinwurschteln war State of the Art. Die große Angst, was aus einem werden soll, wenn es mit der Kunst nicht klappt, gab es nicht. Zur Not ist man Lkw-Beifahrer geworden.
Kraftklub existiert mittlerweile seit zwölf Jahren. Wenn eine Band älter und erfolgreicher wird, geht ihr zuweilen die Kreativität verloren. Was kann man dagegen tun?
Brummer: Immer mal wieder eine Fünfjahrespause einfließen lassen! Indem der Frontmann zwischendurch ein Soloalbum macht, wird das Bandleben beflügelt. Tatsächlich haben wir bei der neuen Platte keinen Druck verspürt. Es fühlte sich an, als würden wir wieder ein Debüt aufnehmen. Das ist einer der wenigen positiven Aspekte dieser komischen Zeit.
Israel: Solange man Input hat, schwindet die Kreativität auch nicht. Man macht sich manchmal selber Druck, weil man das Musikmachen als Job sieht. Aber meistens ist das nicht harte Arbeit. Es geht einher mit dem Leben und dem, was einem Freude bereitet.
Bei dem Ohrwurm „Fahr mit mir (4x4)“ gastieren die Jungs von Tokio Hotel. Die gelten in Indie-Kreisen eher als uncool. Fühlen Sie sich mit der Band verbunden aufgrund der gemeinsamen ostdeutschen Herkunft?
Brummer: Diese Zusammenarbeit war sehr unkompliziert. Tokio Hotel wurden Weltstars, als ich jung war. Mir war damals nicht bewusst, dass wir im selber Alter sind. Wir haben auch gemeinsame Biografiepunkte, weil wir in ähnlichen Oststädten aufgewachsen sind. Wenn man sich überlegt, was der Skateboarder Steffen und der Hip-Hopper Felix so in Chemnitz erlebt haben, kann man sich ausmalen, was jemand mit Dreadlocks und Kajalstift in Magdeburg erlebt haben muss.
Sie meinen Anfeindungen, weil man anders ist als die Masse?
Israel: Anfeindungen haben alle erlebt, die in der Zeit im Osten aufgewachsen sind und irgendwie aus dem Raster fielen, weil sie links oder Punks waren.
Lernt man auf diese Weise, sich durchzusetzen?
Brummer: Man lernt Vermeidungsstrategien. Es ist leider nicht so, dass man durch das Stahlbad im Osten der frühen 2000er-Jahre gegangen ist. Man hat eher gelernt, dass man nicht auf die Polizei vertrauen kann, wenn man sie ruft. Gerade im Nachtleben galt das Gesetz des Stärkeren. Man hatte das Gefühl, dass sich Stärkere oft in einer Fascho-Blase aufgehoben fühlen.
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Wie oft haben Sie Prügel bezogen?
Brummer: Viel weniger, als es jetzt vielleicht rüberkommt. Die paar Mal reichten aber aus, um dir ein Gefühl von Sicherheit zu nehmen. Die Kaulitz-Zwillinge sind vor Jahren nach Los Angeles geflüchtet, wo „keine Fahnen in den Kleingartenanlagen wehen“.
Brummer: Die Utopie, die in dem Song „Fahr mit mir (4x4)“ beschrieben wird, sind mitnichten die USA. Ich glaube, die eine oder andere Fahne kann man auch dort im Vorgarten wehen sehen.
Diesen Ort eines Tages zu finden, ist eher ein Wunschtraum.
Warum sind Sie bis heute im heimatlichen Chemnitz geblieben?
Brummer: Man redet in Interviews immer über die negativen und wenig über die positiven Aspekte, weil die natürlich ein bisschen langweilig sind, für uns persönlich aber Gewicht haben: Freunde zum Beispiel. Familie. Ruhe. Platz für Sachen, die man in anderen Städten schwerer umsetzen kann. Wir haben zu Hause ein tolles Umfeld von ganz verschiedenen Künstlern. Und Chemnitz wird 2025 Kulturhauptstadt Europas.
Das Interview führte Olaf Neumann
Hier geht es zu den Tickets für das Konzert am 10. November in der Wunderino Arena.