Jeden Monat wagt KIELerLEBEN-Redakteurin Jana Kringel einen spannenden Selbstversuch. Diesmal hat sie bei der Müllabfuhr gearbeitet.
Etwas mulmig ist mir schon, als ich das Gelände des Abfallwirtschaftsbetriebs Kiel (ABK) betrete. Ich frage mich, wie ich mich bei der Arbeit mit Restmüll anstellen werde und ob ich den Gestank ertragen kann. Von Handschuhen bis zu langen Unterhosen hat Sven Wetteborn von der Kleiderkammer des ABK alles. Er ist für die Berufskleidung von über 300 Mitarbeitern zuständig. Aufgrund der milden Temperaturen und Sonnenschein kann ich mir die lange Unterhose sparen. Ich bekomme eine Latzhose, eine leichte Jacke, Handschuhe und eine Cappy. Dazu Sicherheitsschuhe, die es gerade noch in Größe 37 gibt. Als ich die Kleiderkammer verlasse, spüre ich, wie mich auf dem großen Parkplatz des Geländes von allen Seiten neugierige Blicke streifen. Auch ich muss mich erst einmal an meine Kleidung ganz in Orange gewöhnen, die hier hauptsächlich Männer tragen. Als ich mein Spiegelbild in der Scheibe eines parkenden PKW sehe, muss ich lachen. Ich sehe aus wie ein kleines Mädchen, das man in einen Schneeanzug gesteckt hat.
Und dann kommen auch schon meine heutigen Kollegen von der Müllabfuhr, Fahrer Thomas Imme mit seinen drei Werkern Franko Milbradt, Rafael Bock und Maik Schlesinger, mit dem Müllauto vorgefahren. Vom Abfallwirtschaftsbetrieb aus geht es nach Kronsburg bei Kiel, dem heutigen Revier für den Vormittag. Bevor ich loslegen darf, weist mich Thomas in die Arbeitsabläufe ein. Rafael ist währenddessen schon dabei, die Restmülltonnen von den Grundstücken der Anwohner an den Straßenrand zu stellen. Ich bin überrascht, dass ich bisher noch gar keinen strengen Geruch wahrnehme. „Das Wichtigste, wenn du die Tonnen an den Greifarm des Autos schiebst, ist, dass du danach sofort beiseite gehst“, mahnt mich Thomas und ergänzt: „Wenn die Tonne zurückkommt und du drunterstehst, stoppt das System nicht.“ Für einen Moment überlege ich, worauf ich mich eingelassen habe, und beschließe, die Tonnen erst einmal zurück zum Grundstück zu bringen. Die ganze Straße ist bereits voll von ihnen. Von Vorarbeiter Rafael ist nichts mehr zu sehen, so schnell ist er. Und auch Maik und Franko legen ein ordentliches Tempo vor. Als Maik bemerkt, wie ich hilflos nach den Hausnummern suche, unterstützt er mich: „Da vorne ist Nummer 36.“
In der zweiten Straße werde ich dann schon schneller. Tonne greifen, aufs Grundstück bringen, schnell zurück auf den seitlichen Tritt am Müllauto, auf dem Thomas mich mitnimmt. Bei einigen Grundstücken muss ich ums Haus herum bis auf die Terrasse, andere haben ihre Tonnen am Ende einer langen Auffahrt platziert – so langsam komme ich ins Schwitzen. Und dann darf ich auch mal die Tonne lehren. „Die großen Tonnen passen vom Format genau an den Greifarm der automatischen Kippvorrichtung. Bei den Kleineren musst du darauf achten, dass drei von den vier Zähnen die Tonne gut greifen können“, erklärt Franko mir. Er sagt mir außerdem, dass ich auf keinen Fall mit den Händen korrigieren soll, wenn die Tonne mal schief hängt. Jetzt bin ich tatsächlich – zusätzlich zu dem Respekt, den ich vor dem schweren Greifarm habe – aufgeregt. Aber dann: Gezielt schiebe ich die kleine Tonne an drei Zähne des Greifarms, sie schnellt nach oben und kippt. Dabei kommt eine leichte Staubwolke aus dem Auto und es riecht etwas muffig. Sofort gehe ich außer Reichweite, als die Tonne wieder herunterkommt. Auf einmal macht es mir richtig Spaß.
„Hey Maik! Die kippt besser als Flo“, höre ich Franko seinem Kollegen anerkennend zurufen, der damit einen Kollegen zu meinen scheint, dem das Kippen nicht so gut gelingt. Erfreut über die lobenden Worte lächle ich Franko verlegen an. Ein älterer Herr beobachtet das Geschehen vor seiner Haustür sichtlich amüsiert. Ein bisschen beschämend fühlt es sich schon an, als Frau in diesem Männerberuf so aufzufallen. Nach viereinhalb Stunden ist das Revier abgearbeitet, das Müllauto ist – trotz Pressfunktion, durch die der Müll im Inneren des Wagens zusammengestaucht wird, voll. Dann sammeln wir Rafael noch schnell wieder ein.
Endstation: Müllverbrennung Kiel (MVK). Zunächst geht es auf die Waage. Ganze 9,8 Tonnen Müll haben wir an Bord. Für mich klingt das unheimlich viel. „Im Innenstadtbereich sammeln wir am Tag 20 Tonnen ein“, klärt Thomas mich auf. Danach fährt er das Auto rückwärts in eine der großen Garagen. Als sich ein großer Abgrund auftut, in dem schon jede Menge Müll lagert, wird mir ganz flau im Magen aus Respekt vor der Tiefe. Ich gehe einen Schritt zurück. Thomas Bäumann, Betriebsleiter der MVK, erklärt mir, dass nach der Müllverbrennung bei 950 bis 1000 Grad sogenannte Schlacke übrig bleibt, die nur noch aus Steinen oder Metall besteht. Diese wird dann von einem zuständigen Unternehmen abgeholt und weiterverwertet, zum Beispiel im Straßenbau. Ich erfahre außerdem, dass bei der MVK 140.000 Tonnen Müll pro Jahr aus Kiel sowie den Kreisen Rendsburg-Eckernförde und Schleswig-Flensburg ankommen. Die Energie, die bei der Verbrennung des Mülls freigesetzt wird, wird in Fernwärme und Strom für das Stadtwerkenetz umgewandelt.
In der Kantine der MVK machen wir Frühstückspause. Ich bekomme einen Eindruck davon, wie eng das Team zusammenarbeitet. Bei Franko, Thomas, Rafael und Maik stimmt die Chemie. Es werden derbe Männersprüche ausgetauscht und alles ganz locker genommen – und das muss es wohl auch. „Es gab noch nichts, was wir nicht gesehen haben“, sagt Franko und erzählt, dass die Anwohner der Reviere auch mal Fäkalien in ihrem Hausmüll entsorgen. „Die Gerüche ziehen dann vorne bis ins Auto“, ergänzt Thomas. „Der Sommer kann so schön sein – aber er stinkt auch“, betont Franko und wir müssen lachen. Eines steht fest: Bei blauem Himmel und Plusgraden hatte ich heute viel Glück. Denn bis auf einen leichten Müllgeruch und ein bisschen Staub auf meinen Kontaktlinsen hatte ich nichts auszustehen. Trotz allem habe ich einen realen Einblick in die Arbeit der Müllabfuhr bekommen und muss sagen: Respekt!
Jana Kringel
Abfallwirtschaftsbetrieb Kiel (ABK)
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