Heute, am 14. Oktober, findet der Deutsche Hospiztag statt. Nur wenige beschäftigen sich mit dem Tod und Sterben – bis es dann plötzlich soweit ist. Wie gehen Mitarbeiter*innen in einem Hospiz mit genau diesen Themen um? Bei einem Besuch im Hospiz Kieler Förde haben wir Antworten gesucht.
Zuerst fällt mir die Stille auf, nicht unangenehm, eher warm und einladend. Ein Moment, um durchzuatmen, um Ruhe zu finden. Die Einrichtung ist hell und freundlich, an der Wand hängen Bilder mit roten Gummistiefeln, die durch Pfützen springen. Nina Bär, die stellvertretende Leiterin des Hospiz Kieler Förde empfängt meine Kollegin Sina und mich an der Tür. Die Maske verdeckt ihr Gesicht zur Hälfte, aber ihre Augen lächeln: „Ich freue mich riesig, dass ihr da seid!“ Sie führt uns den breiten Gang entlang bis zu dem Büro, wo wir gleich alle unsere Fragen stellen können – und das sind jede Menge. Noch bevor wir die Tür erreicht haben, hallt ein tiefes Lachen durch den Raum, prallt an den Wänden mit den Gummistiefeln ab und lässt uns verwundert dreinblicken. „Das ist Frau Maiworm, sie ist Sozialarbeiterin bei uns. Sie lacht immer richtig viel“, erklärt uns Nina und schmunzelt.
Lachen ist nach wie vor die beste Medizin. Und hier ist das nicht nur ein abgenutzter Spruch, sondern gelebte Realität. Die 28 Hauptamtlichen und rund 60 Ehrenamtlichen sorgen vor Ort dafür, dass die Zeit für die Gäste im Hospiz mit Lachen und Humor gefüllt ist. Denn das gehört für die Menschen im Hospiz zum Leben ebenso dazu wie das Sterben. Für Angehörige ist das Hospiz außerdem ein wichtiger, geschützter Raum, in dem sie Abschied nehmen und trauern, wo sie Frieden finden und Gespräche führen, weinen dürfen und lachen können. Der Mensch in seiner Gesamtheit steht im Mittelpunkt, bis zum Schluss, bis zum Tod.
Es zählt der Mensch, der man ist
„Der Tod ist bei uns allgegenwärtig, alle, die herkommen, wissen, dass sie sterben werden, es gibt da ja keine Wahl“, sagt Justina Maiworm. Sie ist als Sozialarbeiterin im Team für die Betreuung, Organisation und das große Drumherum zuständig – und seit dem ersten Tag des Hospizes mit dabei. Ich frage die ehemalige Krankenschwester, ob sie den Tod, das Leid und die Wut abends mit nach Hause nimmt. „Nein. Inzwischen kann ich da sehr gut abschalten. Ich führe mir dabei immer wieder vor Augen, dass wir einen wundervollen Job machen und dass die Menschlichkeit, die man hier vorfindet, das ist, was am Ende dafür sorgt, dass jeder mit einem guten Gefühl kommt und geht.“ Denn in einem Hospiz zählt nicht mehr, was du im Leben erreicht hast oder wie erfolgreich du warst. Hier zählt der Mensch, der du bist. Mit allen Macken, Sorgen, Erinnerungen und allem, was dich ausmacht. Hier werden alle gleich gut versorgt, erhalten die gleiche Pflege und die gleiche Zuwendung. „Egal, ob du obdachlos oder ein erfolgreicher Manager warst“, ergänzt Justina.
Schenkt diese Arbeit vielleicht auch eine neue Sicht auf die Dinge? „Die Arbeit macht natürlich was mit dir“, bestätigt Nina meine Vermutung. Fragen nach der eigenen Sterblichkeit oder der Blick aufs eigene Leben sind Themen, die beschäftigen. Aber man wird auch demütig und dankbar, lässt Vorurteile fallen, öffnet sich für neue Sichtweisen, findet zu emotionaler Reife. Auch Spiritualität und Glaube sind Themen, die hier an der Tagesordnung stehen. Doch nicht nur die Mitarbeiter*innen, auch viele der Gäste machen noch mal eine starke emotionale Entwicklung durch. „Wir hatten schon Gäste, die im Laufe ihres Aufenthaltes von einer sehr verschlossenen, fast schon kratzbürstigen Person zu unglaublich weichen und dankbaren Menschen wurden“, erzählt Justina und erinnert sich gut an den einen oder anderen sehr fordernden Gast. Am Ende jedoch suchen sie alle Ruhe und die finden sie hier.
Lachen und weinen im Wechsel
Wie traurig darf man an so einem Ort sein, frage ich – die Antwort kommt schnell: Sehr traurig. „Hier wird geweint und gelacht und dann wieder geheult. Das ist Alltag, das ist unser Alltag. Aber natürlich gibt es Momente, in denen wir auch wirklich schlucken müssen.“ Justina überlegt kurz und erzählt dann von einem Gast, der Teil einer Gruppe von Bikern war. Als sein Tod näherkam, versammelte sich seine Crew vor dem Hospiz, der Gast wurde vor die Türe zu seinem eigenen Motorrad gebracht und gemeinsam ließen alle zum letzten Mal ihre Bikes aufjaulen, um Abschied zu nehmen. Zur gleichen Zeit blickte das Team des Hospizes über die Brüstung im ersten Stock und die Tränen, die hierbei flossen, bedauerten den Abschied, aber bejahten gleichzeitig das Leben.
Niemand hier ist frei von Ängsten, doch der ehrliche, authentische und offene Umgang mit dem Tod in seiner sensibelsten Form hilft, sich diesen Ängsten zu stellen. Die bewegende Arbeit in einem Hospiz verspricht kein Wunder – doch sie begleitet Sterbende und Angehörige in den schwersten Stunden, bis zum Tod. Und darüber hinaus…