KIELerLEBEN: Letztes Jahr hast du auf der Kieler Woche zwei Sets gespielt, ein „normales“ hier an der Hörn und ein akustisches im Musikzelt und hast mir empfohlen, mir beides mal anzuhören. Rückblickend: Welches Konzert fandest du cooler?
Lotto King Karl: Das kann man nicht sagen. Also, wir werten das nicht und das kann man auch nicht werten. Es geht immer darum, dass der Abend gut funktioniert und ich fand beide Abende Super. Aber in Kiel sind die Auftritte sowieso häufig sehr gut. Ich weiß gar nicht, wie oft wir inzwischen in Kiel gespielt haben, das wird sicherlich 50 Mal oder mehr gewesen sein in mehreren Jahrzehnten und mir gefällt das immer gut hier.
Ich hatte dich vorher noch nie Unplugged gesehen und fand das etwas merkwürdig: Hier beim normalen Konzert war’s eher ruhig aber im Musikzelt, wo ihr das eigentlich ruhigere Set gespielt habt, war gefühlt jeder HSV-Fan Schleswig-Holsteins da und die haben ihre eigene Party gemacht…
Ja, das stimmt. Aber das würde bedeuten, dass man da schon auf sehr hohem Niveau jammert wenn man sagt, dass das eine schlechter als das andere war. Für uns war das beide Male super.
Das ist ja das Wichtigste …
Na ja, nee, das Wichtigste ist, dass es den Leuten Spaß macht! Selbst wenn’s uns mal überhaupt keinen Spaß macht, dass es den Leuten Spaß macht, das ist das Wichtigste
Bleibst du dieses Jahr ein bisschen länger hier und bekommst was von der Kieler Woche mit?
Nee, überhaupt nicht. Ich muss morgen nach London.
Letztes Jahr haben wir auch ein bisschen über Fußball gesprochen. Ich hatte da diese Fantasie: Der HSV steigt ab, Holstein Kiel steigt auf und beide spielen zusammen mit Pauli in der zweiten Liga… wie enttäuscht bist du dieses Jahr, dass der HSV zum ersten Mal die Relegation verpasst hat?
Da bin ich überhaupt nicht enttäuscht, im Gegenteil! Natürlich ist es so, dass wir dann zwei Partien mehr gehabt hätten, aber es war auch mein Ziel in der letzten Saison, dass wir keine Relegation spielen, weil das auch ganz beschissene Tage sind.
Ich hab’s dieses Jahr aus der Zuschauerperspektive gesehen und zwei ganz erbärmliche Spiele gesehen, die von großem Krampf geprägt waren. Ich meine, dass die beiden Relegationen an denen wir teilgenommen haben ein bisschen schwungvoller waren, was sicherlich nicht nur an uns, sondern auch an Gegnern, Fürth und Karlsruhe, gelegen hat. (…)
Dieses Jahr sind wir am Ende 10. geworden, vielleicht ein oder zwei Plätze über dem, was sich sechs Wochen vor Ende der Saison abgezeichnet hat. Aber es ist auch so: Dann sind es 34 Spieltage gewesen und wenn man dann 10. ist kann man sich auch ‘nen Moment freuen, dass es nicht nur Platz 15 geworden ist.
Zurück zur Musik. Wann kommt ein neues Album?
Nächstes Jahr wird es eins geben! Man muss einfach sagen, dass eine Platte zu machen, in diesen Zeiten, ist sehr, sehr teuer und eine sehr, sehr unrentable Geschichte und dazu muss man lange sparen.
Unrentabel, weil nicht mehr gekauft wird, sondern mehr gestreamt?
Ja, ja, das ist leider so. Das ist aber auch nicht aufzuhalten. Man kann immer nur hoffen, dass es genügend Leute gibt, die sagen „da ist mir was wert“. Und dafür muss man dann auch ein Album anbieten, was dementsprechend auch was wert ist. Das versuchen und wir und das hat jetzt auch lange gedauert. (…)
Ich finde was wir jetzt so haben, jetzt formiert sich so langsam auch in unseren Köpfen das Album von den Songs her – da hat sich das Warten gelohnt.
Wie muss ich mir das vorstellen wenn ihr ein Album macht? Ist das eher so, dass einer ‘ne Idee für einen Song hat und dann trifft man sich irgendwo im Keller oder seid ihr eher ein Team, das sich dann zwei, drei, vier Wochen wegsperrt …
Das haben wir früher gemacht, aber wir haben festgestellt, dass wir auch viel in anderen Bands spielen und es ist seit dem letzten Album viel passiert. Es gab tolle Momente, es gab Krankheiten, es gab Todesfälle rund um die Band, Kinder wurden geboren, es wurde umgezogen… Es sind eigentlich eher verschiedene Teams, die sich immer mal finden und dann zusammen was schreiben.
Und dann gibt’s auch immer mal neue Leute von außen, die dazu kommen, mit denen wir arbeiten. Und wenn man dann mal zwei, drei Songs zu fassen hat, arbeitet man da mal ein paar Wochen dran.
Wir haben uns jetzt zum ersten Mal hingesetzt und eine Liste gemacht: Was haben wir, was brauchen wir, was brauchen wir nicht und was sind vielleicht auch eher Songs für Bonus-Tracks.
Es gibt noch so drei, vier Songs die noch im Werden sind von denen wir nicht genau wissen, ob die es aufs Album schaffen werden, aber wir wollen diesen Songs eine Chance geben.
Das Schlimmste was du machen kannst ist, wenn du dir ein Album fertig machst, weil du dir einen Termin vorgenommen hast und dann, vier Wochen später, kommt einer mit einer Riesenidee an und alle sagen: „Aaah, hättest du damit nicht vorher kommen können!“
Da muss halt jeder in sich hinein hören, gerade auch die, die viel an dem Album machen. Ich schreibe ja praktisch an jedem Stück mit und wenn dir dann so gar nichts mehr einfällt, dann ist so ein Punkt gekommen.
Wie viele Songs habt ihr schon zusammen?
Wir sitzen da jetzt mit einer Liste von 26 Songs, die aber auch schon eine Auswahl von 30 bis 40 Ideen sind und brauchen für das Album 15 + x.
Dann gibt’s aber auch Ideen, die zurück kommen. Ich hatte einen Text schon zwei Mal deutlich aufgegeben und dann haben aber Manne und Tom so einen geilen Song daraus gemacht und Tom hat den Text ein bisschen verändert und die haben dann irgendwann gesagt: „So, und hier ist der Text, den du nicht wolltest. Das ist unser Song. Wie findest du das jetzt?“
Und dann habe ich auch gesehen „Oh… da änderst du jetzt noch drei Sachen im Text und dann ist es das.“
Dazu muss man aber nicht wochenlang in ‘ner Hütte sitzen und sich sagen, was uns da nicht einfällt gibt’s auch nicht.
Das passiert einfach wenn man sich die Zeit lässt und sich auch die Ruhe gibt, auch ein paar Mal mit ganz frischem Kopf wieder ranzugehen.
Musstest du es erst lernen, dir dafür mehr Zeit zu lassen oder bist du sowieso eher ein geduldiger Typ?
Also, seit 21 Jahren gibt’s diese Band und wir haben jetzt 13 Alben oder so gemacht und irgendwann hast du auch jede Geschichte schon 20 Mal erzählt. Deshalb brauchst du dann auch immer einen schlauen Aufhänger und dafür brauchst du Einflüsse von anderen Leuten, die uns mit anderen Augen sehen.
Man muss selbstkritisch bleiben. Gerade auch, weil wir das als eigenes Label produzieren. Wir müssen deshalb auch ehrlich zu uns sein.
Deshalb hab ich das auch eben mit dem Text von mir erzählt, wo ich zwei Mal dachte „Oh Gott, was für Scheiß“ und dann haben zwei aus meiner Band was draus gemacht und jetzt ist es ein Song, von dem ich glaube, dass er viele vom Sound her überraschen wird aber der in sich total rund ist.
Ich hab noch eine Frage von einer Kollegin mitgebracht, die ich unbedingt stellen soll: Was muss passieren, damit ihr einen Song über Kiel macht?
Na ja, wir haben ja Kiel schon ein paar Mal erwähnt. Das Problem ist immer so ein bisschen, dass die Leute über die Gegend singen sollen, in der sie auch wirklich zu Hause sind. Man läuft sonst immer Gefahr, dass man irgendwen irritiert, weil der das dann ganz anders empfindet.
Klar, es gibt genügend Beispiele, bei denen das geklappt hat! Elbow haben haben mit „Manhattan Morning“ einen super Song über New York gemacht, obwohl sie aus England kommen.
Ich kenne Kiel ja auch durch meine Zeit bei der Bundeswehr und habe überlegt, ob man darüber was schreiben sollte. Aber da hat natürlich Maik Krüger vor 40 Jahren schon mit Bundeswehrsongs so grausam vorgelegt, dass man dann auch nicht so richtig weiß, was man drüber schreiben soll. (…)
Es ist ja immer die Stadt, mit der du etwas anfangen kannst oder eben nicht. Und für mich ist Kiel immer ein bisschen wie nach Hause kommen. Neulich waren wir in Bremerhaven, da war das ähnlich, weil ich da auch Lehrgänge gemacht habe. Aber während eines Lehrgangs lernst du natürlich wenig von einer Stadt kennen. Wenn du irgendwo stationiert und nicht gerade auf See bist, dann hast du natürlich mehr Zeit. Beim Lehrgang musst du morgens um 6 antanzen und dann geh’s durch bis 18 Uhr, man muss noch lernen und dann hat man auch nicht so viel Bock, abends noch was zu machen.
Aber das kommt oder kommt nicht… Ich tue mich schwer mit dem Glauben, dass ich über Kiel etwas besser sagen könnte als Illegal 2001. Die haben diese Gegend ja schon sehr, sehr gut beschrieben. Vielleicht müssen wir irgendwann mal ein Duett machen oder so!
Ich sag mal so: Ein Song gegen Berlin ist immer einfach. Aber ein Song für andere Städte ist immer schwierig. Denn das, was ich zu Hamburg zu sagen habe, hängt halt mit fast 50 Jahren zusammen – und so lange war ich halt nicht in Kiel, obwohl ich Kiel natürlich auch seit 30 Jahren kenne.
Ich werde die Kollegin also vertrösten müssen …
Ja, leider! Ich habe da echt Respekt vor! Nichts ist schlimmer, als wenn man so einen Song macht und dann sitzen da die Kieler vor dir und sagen „Hmmm… ja, ich weiß, kann man so sehen – aber ist das wirklich so?“ Das ist dann für alle nur unangenehm.
Letzte Frage: Heute (21.06.2016, Anm. d. Red.) spielt Nordirland gegen Deutschland: Wer gewinnt und warum?
Deutschland gewinnt, weil ich eine DFB-Uhr umhabe. Es ist Zeit für einen Sieg.
Vielen Dank für deine Zeit und das Gespräch!
Das Interview führte Sebastian Schack