„Einfälle statt Abfälle“ ist nicht nur der Name einer Heft-Reihe, sondern charakterisiert auch dessen Kieler Autor Christian Kuhtz ziemlich genau. Der ist nämlich ein echter Tüftler
Betritt man die Küche des Hauses der Familie Kuhtz, so fällt neben vielen Holzmöbeln vor allem der große Ofen direkt ins Auge. „Den habe ich selbst gebaut, als wir 1996 hier eingezogen sind. Er versorgt das gesamte Haus mit Wärme“, berichtet Christian Kuhtz. Was für andere eine technische Meisterleistung wäre, ist für Kuhtz Normalität. Denn der zweifache Familienvater hat einen Lebensentwurf, der in unseren Breitengraden durchaus als ungewöhnlich bezeichnet werden kann. Das Motto des 59-Jährigen lautet: Möglichst wenig wegwerfen, dafür umso mehr selbst herstellen, wiederverwerten – und vor allem: alternative Lösungen finden. Kein Wunder, dass er seit 40 Jahren die Heft-Reihe „Einfälle statt Abfälle“ herausgibt, in der er seine Ideen anhand von selbstgestalteten Zeichnungen und Erklärungen zum Nachbauen und Weiterentwickeln weitergibt. Doch wie kam es dazu, dass Kuhtz ein solcher Tausendsassa wurde, der keinen Kühlschrank, dafür aber einen Erdkeller zur Kühlung von Lebensmitteln hat, eine im Garten aufgebaute Komposttoilette nutzt und das Eigenheim mit selbsterzeugter Wind- und Solarenergie versorgt? „Ich war bereits als Kind ein Tüftler“, berichtet Kuhtz, der 1958 in der Nähe von Flensburg geboren wurde und in Ratzeburg und Bad Segeberg aufwuchs. Bereits als Schüler bastelte er erste Sonnenkollektoren. Als er mal wieder die Hausaufgaben nicht hatte, begründete er dies mit seiner Arbeit an einer Nähmaschine. Der Lehrer erkannte das Talent seines Schülers und meldete ihn bei Jugend forscht an, wo Kuhtz mit seiner selbstentworfenen Ledernähmaschine tatsächlich Bundessieger wurde.
Schon früh entwickelte der Kreativkopf ein enormes Umweltbewusstsein, was sich auch in regelmäßigen Teilnahmen an Anti-Atomkraft-Demonstrationen widerspiegelte. „Damals wurde uns vorgeworfen, dass wir keine Alternativen zu bieten hätten. Da dachte ich: ,Doch, haben wir!’ Wir wollten den Leuten zeigen, dass Windkraft sehr wohl funktioniert“, erklärt Kuhtz seinen Ansporn für ein Windrad, welches er in den 1970ern baute. Als er immer wieder danach gefragt wurde, entschied er sich, die Bauanleitung zu kopieren und anzubieten – die besagte „Einfälle statt Abfälle“-Reihe war geboren, die mittlerweile über 20 Titel in mehreren Auflagen und Aktualisierungen umfasst.
Nach seinem Studium an der Muthesius-Kunsthochschule, das er mit einem Produktgestaltungsdiplom abschloss, war Kuhtz drei Jahre mit dem Fahrrad unterwegs und lernte in dieser Zeit auch seine Frau kennen. Seitdem bestreitet er seinen Lebensunterhalt mit Projekten aller Art: Der Tüftler gibt Workshops, hält Vorträge auf Konferenzen oder bietet sein Know-how beim Bau von Öfen, Lasträdern oder Tonflöten an.
„Von dem Geld, was andere Leute verdienen, benötige ich nur einen Bruchteil, weil ich das meiste selbst mache“, erklärt Kuhtz. Geschirr, Lampen und Möbel aus Lehm, Glas oder Holz zu bauen, dient nicht nur dem praktischen Zweck und schont Ressourcen; dem Bastler gefällt es auch, die Dinge genau so zu gestalten, wie er sie haben möchte. „Oft führen besondere Fundstücke wie Astgabeln und Verzweigungen zu Konstruktionen, die schöner und stabiler als das ursprünglich geplante Stück sind“, lässt sich Kuhtz aber auch gerne von der Natur inspirieren. „Dadurch wird der Gegenstand zu etwas Besonderem.“
Es verwundert kaum, dass bei ihm so gut wie nichts in der Mülltonne landet. Geht etwas kaputt, wird es repariert oder findet eine neue Verwendung. Aus einer löchrigen Wollsocke wird im Hause Kuhtz zum Beispiel einfach ein Handschuh gemacht.
Dass für ihn das Prinzip Klasse statt Masse gilt, wird auch an dem schönen Paar Lederschuhe deutlich, die er in mühevoller Handarbeit aus einer alten Aktentasche und einem geplatzten Schubkarrenreifen geschustert hat. „Anstatt in zehn Jahren zehn Paar Schuhe zu verbrauchen, habe ich lieber dieses eine selbstgemachte Paar“, so der Wiederverwerter.
Eines wird im Gespräch mit Christian Kuhtz mehr als deutlich: Er legt keinen Wert auf moderne Technologie. Kuhtz nutzt kein Internet und besitzt weder Fernseher noch Handy oder Auto. Ihm geht es darum, das Gegebene optimal, sprich lange und vielseitig zu nutzen, und möglichst natürlich zu leben. „Das, was ich mache, ist hier zwar ungewöhnlich, in anderen Ländern aber ganz normal“, relativiert Kuhtz. Recht hat er. Dennoch ist es ein bemerkenswerter Lebensstil, der in Zeiten von Klimawandel, Überfluss und Verschwendung umso nachahmenswerter ist.
„Einfälle statt Abfälle“
Christian Kuhtz‘ Hefte mit dem Titel „Einfälle statt Abfälle“ sind entweder bei ihm persönlich in der Hagebuttenstraße 23 in Kiel, beim Buchladen Zapata am Wilhelmplatz 6, bei Gesund & Farbig in der Fleethörn 59 oder in der Galerie Seepferdchen in der Alten Mu erhältlich.