Mit der neuen Inszenierung von Hauptmanns „Die Weber“ bringt das Theater Kiel nach „Kleiner Mann, was nun?“ das zweite große Sozialdrama der Spielzeit auf die Bühne.
Wohl unbestritten ist „Die Weber“ (eigentlich „De Waber“) Gerhart Hauptmanns wichtigstes Werk. Er veröffentlichte den Fünfakter 1892 und bearbeitet darin den kaum 50 Jahre zuvor tatsächlich stattgefunden habenden Weberaufstand von 1844.
Das Stück führt uns nach Schlesien, wo Arbeiter:innen im Textilgewerbe in zunehmend prekären Verhältnissen leben. Dass der Arbeit Lohn zum Leben kaum noch ausreicht, ist unter anderem darin begründet, dass hier immer noch an Handwebstühlen gearbeitet wird, während in England längst mechanische Webstühle zum Einsatz kommen. Um sich der Konkurrenz erwehren zu können, drücken die Fabrikbesitzer die Löhne ständig weiter.
Die Not treibt die Weber in den Widerstand und vor das Haus des Fabrikanten Dreißiger, um eine bessere Bezahlung zu fordern. In der Folge eskaliert die Situation: Dreißiger flieht und das preußische Militär beendigt den Widerstand auf blutige Weise.
Dabei hält sich Hauptmann mit großer Genauigkeit an die historischen Ereignisse, was das Stück nur noch dramatischer macht.
Im Kieler Schauspielhaus findet all das auf einer brachial eintönigen Spielfläche (Julia Hattstein) statt: Eine Drehbühne, mittig über ihr ein riesiges Tuch – das ist es. Die Kargheit spiegelt die Lebensverhältnisse und Aussichtslosigkeit der Weber:innen auf bedrückende Weise wider. Die Kostüme (Sandra Maria Paluch) der nur in Lumpen gekleideten Ausständigen runden den Eindruck ab.
Wenn aber die Bühne derart zurückgenommen ist, müssen die Schauspieler:innen (unter der Regie von Dariush Yazdkhasti und dramaturgischen Leitung von Ella Marie Schilling und Jens Paulsen) umso mehr glänzen, um zu überzeugen. Und das gelingt dem großen Ensemble auf beeindruckende Weise. So sehr, dass es sich praktisch verbietet, Einzelne gesondert hervorzuheben. Egal, ob Claudia Friebel als Expedientin Pfeifer, Felix Zimmer als Moritz Jäger, Yvonne Ruprecht als Mutter Baumert und Luise Hilse oder Marko Gebbert als Bäcker – an sie und alle anderen sind an diesem Abend ausschließlich Bestnoten zu verteilen.
Mehr noch als sonst lohnt es sich, beim Theaterbesuch das Programmheft zu „Die Weber“ zu erstehen. Ohne eine Pointe der Inszenierung vorwegzunehmen: Auf Seite 20 findet sich dort ein elementarer Hinweis mit Relevanz für das Finale. Ohne diesen kannst du das Stück zwar auch von der ersten bis zur letzten Minute genießen – vielleicht aber entgeht dir dann der elegante Brückenschlag ins Heute.
Die Weber wird im Schauspielhaus Kiel an zahlreichen Terminen im März und auch im April und Mai noch gegeben. Karten gibt es auf
www.theater-kiel.de, telefonisch unter 0431 – 901 901 oder an den Vorverkaufskassen. Allerdings: Schon jetzt gibt es für viele der Termine nur noch Restkarten.