Die Hamburger Band Kettcar hat jüngst ihr viertes Studioalbum veröffentlicht. KIELerLEBEN hat sich im Rahmen seines Besuchs bei delta radio mit Sänger und Gitarrist Erik Langer unterhalten. KIELerLEBEN: „Zwischen den Runden“ ist das erste Album mit eurem neuen Schlagzeuger Christian Hake – hat sich etwas für euch als Band geändert?
Erik Langer: Der Weggang unseres bisherigen Schlagzeugers hat zu einer schwierigen Zeit für die Band geführt. Wir hatten dann aber das Glück, relativ schnell mit Christian Hake jemanden zu finden, der nicht nur musikalisch sehr vielschichtig ist, sondern menschlich auch gut zu uns passt. Es funktionierte von Anfang an hervorragend. Er hat sich nicht verschüchtert hinter seinem Instrument versteckt, sondern immer wieder Impulse gesetzt. Das schlägt sich natürlich auf der neuen Platte nieder, aber ob das wirklich für die Hörer zu merken ist, weiß ich nicht.
Musikalisch schlagt ihr eher ruhige Töne an, textlich schafft ihr aber einen Kontrast mit Begriffen aus Kampf und Krieg – ist das Album eine Kampfansage?
Nein, das Album hat mit Krieg und Kampf nicht viel zu tun. Es geht viel mehr um die Schwierigkeiten, in unserer Gesellschaft mitzuhalten und den Alltag zu meistern. Manchmal stürzt über einem alles ein: Man soll hier einen Lehrgang machen und dann hat da der Chef wieder gemeckert, zu Hause ist auch alles schwierig. Da sagt man sich doch, wenn es jetzt noch schlimmer wird, ist es echt nicht mehr weit weg von Krieg!
Zum Thema Gesellschaft: Den Song „Schrilles buntes Hamburg“ empfinde ich als Tirade auf Kommerz und Konsum – wirkt ihr dem auch privat entgegen?
Wir gehen auf die einschlägigen Demos in Hamburg – zum Beispiel gegen den Mietenwahnsinn. Außerdem informieren wir uns über verschiedene Protestbewegungen, die sich gegen die Umstrukturierung der Stadt über die Köpfe der Bevölkerung hinweg auflehnen, und beobachten kritisch. In dem Stück geht es, wie du schon sagst, um die fortschreitende Kommerzialisierung von Kultur, dass alles nur noch Geld bringen muss und nichts mehr einfach nur Kunst sein kann.
Ist eure Musik denn Kunst oder Kommerz?
Unsere Musik ist Kunst. Wir sind zwar dankbar, dass wir Geld damit verdienen können, sodass wir wiederum Zeit haben, diese Kunst zu schaffen. Dadurch, dass wir unser eigenes Label mit Angestellten gegründet haben, ist dieser kommerzielle Faktor etwas, das nie ganz ausgeblendet werden kann. Er ist aber nicht das, was uns antreibt oder an erster Stelle steht.
Der Songtitel „Kommt ein Mann in die Bar“ klingt wie der Anfang eines Witzes, handelt dann aber davon, wie man das Leben erträglicher machen kann. Ist das Leben ein Witz oder nur mit Witz zu ertragen?
Letzteres, das Leben hat ja durchaus eine gewisse Ernsthaftigkeit und auch viel Schönes, auch wenn wir gerne mal die unangenehmen Seiten herausheben. In diesem Fall stammt der Text von unserem Bassisten, der festgestellt hat, dass in der Kneipe um die Ecke zu jeder Tages- und Nachtzeit immer dieselben Leute sitzen. Es ist also die Interpretation einer Kneipenszene: Die Menschen harren aus, warten auf Veränderung oder vielleicht darauf, dass die Liebe ihres Lebens durch die Tür kommt – aber es passiert nichts.
Apropos Liebe: Das Stück „Rettung“ handelt von der Liebe und vom Füreinander da sein, unter anderem auch davon, der Liebsten Erbrochenes aus dem Haar zu streichen. Ist das ein größerer Liebesbeweis als eine Rose zum Valentinstag?
Ganz klar, es geht darum, dass Liebe nicht immer nur das ist, was man sagt, sondern auch, was man tut. Und wenn es der Liebsten schlecht geht, man in dem Moment für sie da ist und Dinge tut, die auch zu den unangenehmen Seiten gehören, ist das wichtiger Bestandteil einer Beziehung und einer Liebe.
Auf dem Album beschreibt ihr viele Alltagssituationen. Ist die Platte also eine sehr persönliche und autobiographische?
Nein, gar nicht. Natürlich sind unsere Texte durch die Dinge um uns herum inspiriert. Dass Markus seiner Frau Erbrochenes aus den Haaren gepult oder sie huckepack nach Hause getragen hat, wüsste ich aber nicht.
Zum Schluss bitte noch ein paar Sätze zu Kiel! Am 29. Februar werdet ihr im Max auftreten…
Ich bin schon mehrmals privat in Kiel gewesen, habe mein Fahrrad im Zug mitgenommen und mich mit Freunden am Strand getroffen und dort übernachtet. Das gefällt mir sehr gut an Kiel, dass das hier so ohne Weiteres möglich ist, die Nähe zum Wasser ist großartig. Außerdem ist es auch für uns als Band ein Stück weit zu Hause, es ist nicht weit von Hamburg entfernt. Das Konzert wird sich für uns anfühlen wie ein sehr schönes Heimspiel.
Das Interview führte Melanie Schippling