Durch das Schleswig-Holstein Musik Festival führt in jedem Jahr ein Porträtkünstler oder eine -künstlerin. 2019 ist es die niederländische Starviolinistin Janine Jansen, die insgesamt zehn Konzerte im Verlauf des SHMF spielt. So auch am vergangenen Donnerstag im Altenhofer Kuhhaus bei Eckernförde.
Es ist ein heißer Sommerabend unweit der Eckernförder Bucht auf dem Gut Altenhof, wo seit vielen Jahren bedeutende Konzerte des Schleswig-Holstein Musik Festival stattfinden. Kein Wunder also, dass Janine Jansen, die diesjährige Porträtkünstlerin des Festivals, sich hier die Ehre gibt. Das 1711 errichtete Kuhhaus bietet nach einer Modernisierung im Jahr 1988 einen Konzertsaal mit 870 Plätzen, die an diesem Abend restlos belegt waren.
Das war zu erwarten. Denn selbst unter den zahlreichen erstklassigen Musikern, die dem SHMF alljährlich zu seinem Glanz verhelfen, sticht Janine Jansen hervor und täte dies auch, wäre sie nicht das Gesicht der diesjährigen Auflage des Festivals.
Die Niederländerin gehört seit den frühen 2000er-Jahren zur absoluten Weltspitze unter den Violinisten. Als Tochter zweier Musiker begann sie im Alter von sechs Jahren das Geigenspielen und stieg schon in jungen Jahren zu einer der ganz großen ihres Fachs auf. Dabei hat sie einen sehr eigenen Stil entwickelt. In Sekundenschnelle springt Jansen, ganz der Musik folgend, von tiefster Melancholie in nackte Ekstase – und das mit vollem Körpereinsatz. Was Janine Jansen auf der Bühne präsentiert ist nicht nur die hohe Kunst der Musik, sondern auch schon fast der Schauspielkunst, so sehr lebt und fühlt sie die Stücke, die sie eben nicht nur mit der Geige, sondern auch mit dem ganzen Körper erzählt. Stellen Sie sich jemanden vor, der das dringende Bedürfnis zu tanzen hat, aber dabei auf einem Stuhl sitzen muss. Wenn Sie dieser Figur in Ihrem Kopf dann noch eine Geige in die Hand drücken, haben Sie schon ein gutes Bild von Janine Jansens Bühnenpräsenz.
So gelingt es Jansen einen gewaltigen Bogen zu schlagen. Ihr Spiel wirkt seiner Virtuosität zu jedem Zeitpunkt organisch und doch überrascht es jedes Mal wieder, wenn sie bei lauten oder starken Passagen geradezu explodiert.
Dabei nimmt man ihr die zickige Furie genauso ab, wie noch Momente zuvor die Leidende.
Geballtes Talent auf der Bühne
An diesem Abend ist Janine Jansen aber nicht das einzige Ausnahmetalent auf der Bühne des Kuhhauses. Insgesamt hat sie für die drei Stück des Abends fünf weitere Musiker dabei. Ganz besonders hervorzuheben ist Pianist Denis Kozhukhin, der über die Jahre seines Musikerdaseins eins geworden ist mit seinem Instrument, wie man es nicht allzu häufig erlebt. Sein Spiel wirkt zu jederzeit hoch konzentriert, gleichzeitig aber derart leicht, als müsse Kozhukhin seinen Kopf dabei überhaupt nicht anstrengen.
Immer wieder schön ist es, wenn man als Konzertgänger bemerkt, wie gut die Künstler auf der Bühne gemeinsam schwingen. An diesem Abend im Kuhhaus mag das auch daran liegen, dass eben „Janine Jansen & Friends“ auf der Bühne stehen. Man kennt sich. Mit einem ihrer Mitstreiter, dem Cellisten Daniel Blendulf, ist Jansen sogar verheiratet. Aber auch Gregory Ahss (Violine), Amihai Grosz (Bratsche) und Jens Peter Maintz (Cello) fügen sich perfekt ein und so findet das Ensemble auf der Bühne und sogar während der Stücke Zeit, miteinander zu scherzen.
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Tolle Auswahl
Auf dem Programm stehen an diesem Abend drei Stücke. Den Anfang machen Erwin Schulhoffs „Fünf Stücke für Streichquartett“.
Eine interessante Wahl, denn Musikwissenschaftler Michael Kube beschreibt Schulhoffs Stil als „Melange aus überlieferten Gattungen und Formen, dem (Tanz-)Jazz entlehnten Rhythmen, einer erweiterten […] Tonalität sowie einer bisweilen neobarocken Attitüde“, womit er Mitte der 1920er Jahre den Nerv der Zeit getroffen habe. Das wird allerdings erst retrospektiv klar. Denn zu der Zeit selbst wurden Schulhoffs Stücke gemeinhin verkannt und als „primitive Quartettkunst“ (Komponist Joseph Haas) verspottet.
Als zweites Stück hat Janine Jansen das Klavierquartett Nr. 3 in c-Moll von dem weit weniger streitbaren Johannes Brahms gewählt. Das ist dann auch der erste Auftritt des oben bereits gelobten Denis Kozhukhin. Das Stück wird gerade anfangs von einem kräftigen Klavier, das von zurückhaltend leisen Streicherpassagen unterstützt wird, dominiert.
Brahms stützt sich bei diesem Stück auf die vierte Symphonie Robert Schumanns in dessen Frau Clara, das gilt heute als gesichert, er verliebt war. Vielleicht sah Brahms gerade deshalb zur Veröffentlichung des Stücks eine Parallele zwischen sich Goethes „Werther“. Seinem Verleger jedenfalls schrieb er: „Außerdem dürfen Sie auf dem Titelblatt ein Bild anbringen, nämlichen einen Kopf – mit einer Pistole davor. Nun können Sie sich einen Begriff von der Musik machen!“
Den Abschluss bildet das vermutlich bekannteste Stück der Auswahl, Antonín Dvořáks Klavierquintett in A-Dur. Ein über weite Passagen freundliches Stück, das aber auch genug dramatische und melancholische Elemente bietet, sodass Jansen einmal mehr all ihre Qualitäten voll ausspielen kann. Nicht nur, aber ganz besonders beim äußerst spielfreudigen Finale.
Volles Programm
Neben ihren eigenen Konzerten wirkt Janine Jansen in diesem Jahr außerdem in dem SHMF-Format „Meisterschüler-Meister“ mit, bei dem sie zwei Konzerte mit einem jungen Streicherensemble aus Preisträgern von »Jugend musiziert« geben wird.
Wer Janine Jansen im Rahmen des SHMF live erleben möchte, hat dazu h genau zwei Chancen: sowohl für den Konzertabend „Spannungsbögen“ in Wesselburen 30. Juli, sowie für das zweite „Meisterschüler-Meister“-Konzert in Rendsburg am 4. August gibt es noch ein paar wenige Restkarten.