Am gestrigen Abend trat die französische Nouvelle-Chanson-Sängerin Zaz im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF), das bereits zum 31. Mal stattfindet, mit einer energiegeladenen Show in der Kieler Sparkassen-Arena auf.
So vielseitig das SHMF inzwischen auch geworden ist: Man tritt weder Organisatoren noch Publikum zu nahe, wenn man behauptet, dass Veranstaltung und Publikum im Großen und Ganzen klassisch-konservativ ausgerichtet sind.
Da ist es leicht zu verstehen, dass Zaz mit ihrer Performance vielen Kielern zunächst vor den Kopf stieß. Das erste Drittel der Show wurde dominiert von zahlreichen Lichtelementen, die Musik, geprägt vom großzügigen Einsatz eines Theremins, war durchaus als experimentell zu bezeichnen und Zaz selbst hüpfte, tanzte und sprang über die breite Bühne wie ein aufgeputschter Jack-Russel-Terrier.
Ruhigere Töne
Zaz, die eigentlich Isabelle Geffroy heißt, braucht etwa eine halbe Stunde, um zu erkennen, dass dieses Publikum nicht das gleiche ist, das sonst vor ihrer Bühne steht. Sie springt durch die Reihen und fordert Alte wie Junge auf, doch gefälligst aufzustehen und mitzufeiern – was dann innerhalb kürzester Zeit auch tatsächlich die gesamte Halle tut.
Einige wenige Zuschauer, die bereits während der ersten Viertelstunde gegangen waren, verpassen jetzt das, worauf sie vermutlich eigentlich gewartet hatten. Die Band nimmt sich zurück, die Lichtshow taugt nicht mehr dazu epileptische Anfälle zu induzieren und Zaz spielt ruhigere Stücke. Mehr Jazz, mehr Chanson als Pop-Art-Spektakel.
Lauter!
Lernen konnte man an diesem Abend, dass Französisch nicht unbedingt jeder Kieler beherrscht. Auf der Bühne erzählte Gags und Anekdoten verlaufen so häufiger mal im Sand. Auch, weil Zaz selbst unheimlich schnell spricht und singt. Selbst für eine Französin. Wer vor 20 Jahre mal ein paar Jahre Französischunterricht in der Schule genossen hat und sonst keine weiteren Berührungspunkte mit der Sprache hatte, ist raus.
Das macht aber eigentlich auch nichts. Die Sprachbarriere überwindet Zaz spielend mit Ihrer mitreißenden Persönlichkeit und unfassbaren Bühnenpräsenz. Immer wieder motiviert die 36-jährige das Publikum – „Lauter!“ – mitzusingen. Die, die können, den Text. Von den anderen würde auch ein rhythmisches „la, la, la“ reichen. Das ist ein Kompromiss, den nahezu jeder in der Halle gerne eingeht; spätestens bei den ganz großen Hits wie „Je veux“ vom ersten Album „Zaz“, für das es in Deutschland zu 126 Wochen in den Charts und Doppel-Platin reichte.
Ein Erlebnis
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass „Zaz Live“ noch einmal etwas ganz anderes ist als „Zaz auf Platte“. Zaz ist auf der Bühne zu Hause, nicht im Studio. Ihre überbordende Lebensfreude, das gewisse Savoir-vivre, ihre unverwechselbare Stimme und das deutlich erkennbare musikalische Talent, gepaart mit erstklassigen Musikern und Experimentierfreude auf der Bühne sorgen für eine elektrisierende Show.
Das weiß dann auch das Kieler Publikum, das erst überzeugt werden musste, zu würdigen. Am Ende gibt es vollkommen zu Recht stehende Ovation für Sängerin und Band.