Die Baustelle im Jungfernstieg sorgt seit Monaten bei den umliegenden Geschäften für ernsthafte Probleme. Der kleine Veganmarkt „Veganski“ und das Blumengeschäft „Blütenwerke“ kämpfen mit ausbleibender Kundschaft und Lieferschwierigkeiten.
Baustellenlärm gehört zum einzigartigen Soundtrack der Landeshauptstadt ebenso dazu wie das Kreischen der Möwen an der Kiellinie. Wenn aber das Pflaster mal wieder von einem Presslufthammer aufgerissen wird und die ganze Straße so sehr bebt, dass kaum ein Bild an der Wand hängen bleibt, rollen Anwohner*innen und Geschäftstreibende des Jungfernstiegs aktuell mit den Augen. Sie müssen sich auf unbestimmte Zeit an Bauzäunen und Betonmischern vorbeizudrängen. Was so mache*n Autofahrer*in aufregt oder das Fahrradfahren in der Stadt erschwert, bedeutet für die Geschäfte vor Ort allerdings schwere finanzielle Einbrüche. Im Jungfernstieg werden seit Herbst 2020 neue Rohrleitungen verlegt und diese Langzeitbaustelle machen Veganski und Blütenwerke ziemlich zu schaffen.
Kein Durchkommen
Insgesamt soll die Baustelle zwei Jahre bestehen, also noch bis Oktober nächsten Jahres. Dabei rückt sie aus Richtung Knooper Weg immer weiter nach oben zur Eckernförder Straße. Aktuell hat sie für das Veganski ihren Höhepunkt erreicht, nämlich die Kreuzung direkt vor dem Laden. „Seit zwei Monaten ist es hier ziemlich dicht“, stellt Veganski-Mitinhaber René Ghods ernüchtert fest, betont aber, dass er in Kontakt mit dem Baustellenleiter steht, der ihn über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden halte. Zurzeit muss er mehrmals die Woche um drei Uhr morgens im Laden sein, um die Ware am Ende der Baustelle anzunehmen und selbst in sein Geschäft zu bringen, denn die Laster haben keine Möglichkeit, die Straße rückwärts wieder zu verlassen. „Wir versuchen, mit der Straßenwacht und der Stadt Kiel zu erreichen, dass vielleicht noch Parkplätze gesperrt werden, sodass der LKW anliefern kann”; ein Kompromiss, der dem Team im Frühjahr zugutekommen würde, denn dann soll die Kreuzung noch einmal für drei Monate unbefahrbar sein. Ghods betont aber die Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten, „nur kostet es natürlich Zeit und Kraft, überhaupt erstmal die Verantwortlichen zu finden.“
Aleksandra Stopka, Inhaberin des Blumenladens gegenüber, ärgert sich darüber, dass die Absprache im Vorfeld nicht mit dem aktuellen Vorgehen übereinstimmt. „Eigentlich sagte man uns, dass ganz klar in drei Abschnitten gearbeitet werden sollte“, besonders die aktuelle Lage der Baustelle sei so jedoch schon länger als geplant und der Durchgang zur Sternstraße existiere auch nur durch ein Entgegenkommen des Bauleiters. Die Floristin hat bisher zwar noch nicht mit ernsthaften Existenzproblemen zu kämpfen, merkt aber auch, dass ihre Kund*innen genervt von den erschwerten Anfahrtsbedingungen sind. Für ihre Ware braucht sie möglichst kurze Wege, besonders im Winter drohen sonst Frostschäden an den Pflanzen – „mal sehen, wie das wird, wenn es hier ab Januar komplett dicht sein soll“.
Kleine Läden, große Probleme
Die Auswirkungen der Baustelle machen sich in mehrfacher Hinsicht bemerkbar: Neben den Schwierigkeiten beim Anliefern der Ware – entweder schlecht oder gar nicht – und der offensichtlichen Lärm- und Schmutzbelastung, leiden vor allem die Besucher*innenzahlen. Es gibt nicht nur weniger Laufkundschaft, auch gezielt kommen weniger Kund*innen in den Laden. Wenn es keine Parkplätze in der Nähe gibt, würden sich die meisten den Weg sparen. Für den Veganmarkt bedeutet das einen Einbruch von 15 bis 20 Prozent. „Das mag nicht viel klingen, aber für einen kleinen Laden, der erst zwei Jahre besteht und dann auch noch die Pandemie, ist das eine ziemliche Herausforderung“, so Ghods. Außerdem entstünden höhere Kosten und mehr Arbeitszeit. Den Verantwortlichen von der Baustelle sei diese Belastung bewusst, die Stadt Kiel hingegen habe sich nur einmal am Anfang gemeldet. Obwohl ihr Laden schon seit 2014 besteht, bezweifelt auch Stopka, dass ihre Kundschaft den nötigen Umweg in Kauf nehmen würde, wenn Auto oder Fahrrad vor Ort nicht abgestellt werden können.
Ein Weg aus der Not
Mit einer Gutscheinaktion will das Veganski sich aus den roten Zahlen retten. In den sozialen Medien macht das Team darauf aufmerksam und das mit Erfolg, denn die Aktion wird gut angenommen. Es seien nicht nur viele Menschen gekommen, um Gutscheine zu kaufen oder Geld zu spenden, die Kampagne sei auch eine erfolgreiche Werbe-Aktion, durch die viele potenzielle Neukund*innen den Laden kennengelernt haben. Zusätzlich ist Renè Ghods dankbar über den Rückhalt, den er immer wieder über Social Media erfährt. Auch direkt vor Ort wächst eine Community heran, die sich gegenseitig unterstützt. Die „Sternstunde“ von gegenüber hat Suppe verkauft und der Erlös ging an das Veganski.
Das Blütenwerke-Team hofft auf ein gutes Adventsgeschäft, denn der November ist für den Laden die ertragreichste Zeit des Jahres. Dafür sind sie natürlich auf die Unterstützung aller Kund*innen und das Versprechen des Bauleiters, die Baustellenabschnitte erst danach zu verbinden, angewiesen. Obwohl die Baustelle noch bis Herbst nächsten Jahres bestehen soll, gibt es zumindest die Aussicht, dass sie ab März nur noch den oberen Teil der Straße einnimmt. Das zumindest, sei dem Veganski-Gründer gesagt worden. Insgesamt ist er zuversichtlich, dass der kleine Laden die Krise überleben wird. „Ich denke, dass wir das alle zusammen schaffen können.“
Wenn ihr Blütenwerke und Veganski unterstützen möchtet, schaut mal im Jungfernstieg 27 und 28 vorbei.