Erfolgreiche Premiere für Friedrich Dürrenmatts Klassiker „Der Besuch der alten Dame“ – ein faszinierendes Stück über Rache, Gerechtigkeit und die Macht des Geldes.
Wir befinden uns in der fiktiven Kleinstadt Güllen, die unter wirtschaftlichem Niedergang leidet. Hoffnung keimt auf, als die Milliardärin Claire Zachanassian (gespielt von Kammerschauspielerin Ellen Dorn) in ihre Heimatstadt zurückkehrt. Die Stadtgemeinschaft bereit ihr einen großen Empfang und schickt vor allem Alfred Ill (Marko Gebbert), eine Jugendliebe Claires vor, um sie zu motivieren, „ihrer“ Stadt aus der Patsche zu helfen.
Doch Clair hat eigene Pläne: Zwar bietet der Stadt eine Milliarde – 500 Millionen für die Stadtkasse, 500 Millionen zur Verteilung unter allen Familien – jedoch nur unter der Bedingung, dass ihr ehemaliger Geliebter Alfred getötet wird.
Vor vielen Jahren hatte Ill die schwangere Claire verlassen und ihre Vaterschaftsklage mit Hilfe falscher Zeugen abwenden können. Nun fordert sie Gerechtigkeit für das erlittene Unrecht.
Die Güllener lehnen das unmoralische Angebot zunächst empört ab. Doch allmählich beginnen sie, über ihre Verhältnisse zu leben und Schulden anzuhäufen. Die Versuchung wächst, während Ill zunehmend isoliert wird.
In einem spannungsgeladenen Finale muss sich die Gemeinschaft entscheiden: Moral oder Geld? Das Stück gipfelt in einem schockierenden Ende, das die Zuschauer nachdenklich zurücklässt.
Dürrenmatts Tragikomödie ist eine brillante Studie menschlicher Schwächen und gesellschaftlicher Doppelmoral.
Die Inszenierung unter der Regie von Annette Pullen besticht durch starke schauspielerische Leistungen im gesamten Ensemble und eine atmosphärische, wenngleich minimalistische Bühnengestaltung. Besonders hervor sticht einmal mehr Marko Gebbert, dessen Alfred ein Wechselbad der Gefühle von blanker Panik über Paranoia und kalte Angst bis hin zu einem dramatischen Defätismus.
Aber auch die anderen Güllener erfahren so manche Wandlung, allen voran der Bürgermeister (Nikolaus Okonkwo), der zunächst, wie alle, Menschenrechte und -würde hochhält, Alfred später aber nur wenig subtil nahelegt, sich für das Wohl aller zu opfern.
In weiteren Rollen wissen vor allem Jennifer Böhm (Lehrerin), das Ensemble-Neu-Mitglied Tomte Heer (Polizist) und Mischa Warken, der einmal mehr (wie unter anderem in „Lazarus“) beeindruckende Gesangseinlagen liefert.
Ein Theaterabend, der lange nachwirkt und zum Nachdenken anregt.
Das Stück ist noch an zahlreichen Terminen bis in den März 2025 zu sehen. Tickets gibt es an allen Vorverkaufsstellen des Theaters, online unter theater-kiel.de und telefonisch unter 0431 – 901 901.