Elke Engels ist die Gymnastik-Ikone Kiels. Seit über 40 Jahren prägt die 74-Jährige die Gymnastikszene unserer Fördestadt mit ihrem Herzblut und ihrer Freude für den Sport und die Menschen wie keine Zweite.
In der Turnhalle der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kiel-Ellerbek pumpt der Bass. Der Gymnastikkurs „Body-Forming für Frauen“ beginnt gerade. Rund 100 Gymnastinnen wippen schon leicht zu dem heißen Rhythmus des Sommerhits „Balada (Tchê Tcherere Tchê Tchê)“ von Gusttavo Lima, als: „Sooo, es geht loo…oos!“, die Kursleiterin ihr Programm startet und mit Schrittkombinationen energisch loslegt. Die Gruppe folgt der sportlich-agilen Animateurin. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Gymnastiklehrerin schon eine Menge Sport- als auch Lebenserfahrung zu haben scheint. In konkreten Zahlen gibt die 74-jährige Elke Engels seit 40 Jahren Gymnastikkurse.
Step-Aerobic, Bauch-Beine-Po, Bodytoning oder Zumba – als Elke Engels nach ihrem Schulabschluss in den 1950ern die Ausbildung zur Gymnastiklehrerin absolvierte, waren diese Fitnessbegriffe so aktuell wie atmungsaktive Sportbekleidung. „Schon als kleines Kind packte mich das Gymnastikfieber. War ich in der Turnhalle, war ich glücklich“, erinnert sich Elke Engels. Diese Freude versprüht die lebenslustige Kielerin noch heute. Kommt sie in die Turnhalle, wackelt der Boden. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters ist ihr Körper durchtrainierter als der manch eines Teenagers. Dabei hat sie im rechten Knie keine Innenbänder mehr. „Als ich 60 Jahre alt war, hatte ich plötzlich wahnsinnige Schmerzen im Knie. Der Arzt stellte die kaputten Innenbänder fest und meinte nur: ,Das operieren wir nicht. In Ihrem Alter lohnt das nicht mehr‘“, erinnert sich Elke Engels. Seitdem muss sie ihre Beinmuskulatur so kräftig halten, dass das Knie seine Stabilität allein durch die Kraft bezieht.
Elke Engels (vorne re.) vor der Tanzaufführung „Egyptian Raggae“ im Kieler Schloss
Von übrigen Verletzungen blieb die Sport-Oma zum Glück verschont. Auf anderer Seite meinte das Schicksal es aber nicht immer gut mit ihr. Just als sie ihr Hobby zum Beruf gemacht hatte und ihre Karriere als Gymnastiklehrerin beginnen wollte, wurde Elke Engels mit Zwillingen schwanger. Beide Jungs kamen mit körperlichen Behinderungen zur Welt, bedurften viel Fürsorge, einer von beiden später sogar intensive Pflege bis zu seinem Tod. „Das waren harte Jahre für meinen Mann und mich. Eigentlich wollte ich als Gymnastiklehrerin gerne an Schulen arbeiten, aber das war mit zwei Kindern mit Behinderungen nicht möglich“, sagt Elke Engels. Bei aller Belastung blieb ihr neben der starken Ehe immer eins: die Gymnastik. „Die Turnhalle hat mir immer geholfen. Wenn ich meine Kurse gegeben habe, konnte ich Kraft tanken. Mir war einfach bewusst, dass jede der Teilnehmerinnen genauso ihr Schicksal hatte – das eine schlimmer, ein anderes weniger schlimm. Aber wir kamen alle zusammen, um in dieser Stunde Spaß zu haben und den Alltag für einen Augenblick hinter uns zu lassen.“
Gymnastik muss Spaß machen – das war schon immer das Motto von Elke Engels. Und dieses Motto lebte sie wie wohl kaum eine andere. „Wo Elke Engels ist, kommen die Turnerinnen wie die Motten zum Licht“, hatte der Klavierspieler Otto Kuhrt gesagt, der sie bis 2010 musikalisch begleitete. Und wie Recht er hatte. Egal, in welchem Kieler Verein Elke Engels Gymnastikunterricht gab, die Teilnehmerzahl explodierte: ob über zehn Jahre beim Kieler TB oder fünf Jahre im Wellingdorfer TV. Otto Kuhrt war es schließlich, der Elke 1972 den Wechsel zum Ellerbeker TV schmackhaft machte. Dort war die Turnsparte zu der Zeit wenig aktiv. 48 Mitglieder zählte die Gymnastikriege, als Elke Engels die Trainingseinheiten übernahm. Sieben Jahre später zählte die gleiche Sparte über 600 Mitglieder. Bot sie am Anfang zwei Stunden mittwochs an, sind es mittlerweile dienstags, mittwochs und donnerstags jeweils zwei Stunden. Zusätzlich holte sie sich vier Kolleginnen ins Boot, sodass der ETV insgesamt 16 Gymnastikkurse anbieten kann.
„Gymnastik muss Spaß machen“Eine der zahlreichen Ehrungen für Elke Engels im Kieler Schloss im Mai 1982
„Ich hatte immer ein gutes Näschen für Trends und neue Entwicklungen in der Gymnastik. Ob damals die Aerobicwelle, Jazzgymnastik oder heute Bodyforming oder dass auch Männer diesen schönen Sport mitmachen wollen. Das war 1974!“, sagt Elke Engels, deren Ehemann Manfred auch einmal wöchentlich an „Fit for Fun für Jedermann“ teilnimmt. Da die fröhliche Kursleiterin immer aktuell sein wollte, fiel aber auch irgendwann ihr treuer Klavierspieler Otto Kuhrt den Trends zum Opfer – nach 36 Jahren Zusammenarbeit. In vielen Kursen kam die Musik ab den 1990ern aus dem Lautsprecher. Nur den Trend zur CD machte Elke Engels nicht mit: „Die kleinen Scheiben haben einen entscheidenden Nachteil. Wenn wir erst mal richtig losgelegt hatten, wackelte die Halle – und sprang der CD-Player.“ So verbringt sie weiterhin zu Hause viel Zeit damit, die passende Musik von CD auf Kassette zu überspielen. „Auch da läuft bei mir nur Aktuelles. Sie können mich gerne fragen: Ich weiß, was gerade in den Hitparaden angesagt ist“, sagt Elke Engels.
Die leidenschaftliche und erfolgreiche Arbeit des Kieler Gymnastik-Unikums blieb natürlich auch der offiziellen Funktionärsebene nicht verborgen. Elke Engels erhielt die Ehrennadel und den Silbernen Ehrenbrief des Deutschen Turnerbundes, die Ehrenurkunde mit Silbernadel des Schleswig-Holsteinischen Turnverbandes, die Sportverdienstnadel des Landes Schleswig-Holstein, den Kulturpreis der Stadt Kiel und die Goldene Ehrennadel des Ellerbeker TV. „Diese ganzen Auszeichnungen sind mir aber gar nicht wichtig. Ich weiß bei einigen gar nicht genau, wo ich sie aufbewahre. Mir waren immer die Menschen und das Miteinander wichtig“, erzählt Elke Engels. Daher erinnert sie sich vor allem an kleine persönliche Geschichten, die für sie große Bedeutung hatten: „Als Gymnastiklehrerin im Turnverein darf ich nur gesunde Teilnehmer unterrichten und keine Einzeltherapie geben. Eines Tages kam ein junges Mädchen in meinen Kurs, die eine ähnliche körperliche Behinderung hatte wie mein Sohn. Sie bat mich herzergreifend, mitmachen zu dürfen. Sie fände die Atmosphäre im Kurs so toll und würde sich so gut aufgehoben fühlen. Ich konnte sie einfach nicht wegschicken.“
Elke Engels voll in Fahrt während der Gymastikstunde
Wenn Elke Engels nicht in der Turnhalle vor vielen Turnerinnen umherspringt, holt sich die 74-Jährige Erholung in ihrem Garten und genießt die Zeit mit ihrem Ehemann Manfred, mit dem sie kürzlich Goldene Hochzeit feierte. Doch es dauert nicht sehr lange, bis der wohl sportlichsten Mittsiebzigerin Kiels das beschauliche Leben zu gemütlich wird und sie wieder in die Turnhalle muss. „Gymnastik ist so ein toller Sport, und mir ist von ganzem Herzen daran gelegen, dass er auch in der Zukunft mit so viel Freude und Herzblut betrieben wird.“ Für ihre Nachfolge hat Elke Engels in den vergangenen Jahren vorgesorgt, indem sie junge Übungsleiterinnen mit ihrer Gymnastik-Euphorie infizierte. Aber geht es nach Elke Engels, wird sie noch eine ganze Weile mit pumpenden Bässen und viel Spaß die Turnhalle der Gerhard-Hauptmann-Schule zum Wackeln bringen.