Am Aktionstag des Handwerks wird womöglich auch ein frisch gebackener Medaillengewinner zu Gast in Kiel sein. Der Orthopädiemechaniker Markus Rehm nimmt vom 29. August bis 9. September an den Paralympics in London teil. KIELerLEBEN hat mit dem 24-Jährigen zuvor gesprochen.KIELerLEBEN: Die Olympischen Sommerspiele sind gerade zu Ende gegangen. In Kürze geht es für Sie nach London zu Ihren ersten Paralympics. Wie groß sind Anspannung, Vorfreude und Ungeduld?
Markus Rehm: Natürlich riesengroß! Die Olympiaübertragung im Fernsehen lief bei mir die ganze Zeit, wenn ich mal nicht trainiert habe. Der Sport war für mich schon immer ein sehr lebenswichtiger Inhalt. Daher wird es eines der Highlights meines Lebens werden.
Haben Sie eine ungefähre Vorstellung, was Sie in London erwartet?
Ich habe von anderen Athleten gehört, wie großartig die Stimmung und Atmosphäre im Olympischen Dorf sein soll. Es muss ein ganz starkes Wir-Gefühl unter allen Sportlern herrschen, das es bei anderen Wettkämpfen nicht gibt. Aber ich versuche, gar nicht so viel darüber nachzudenken, ich will mich überraschen lassen.
Sie haben eben Sport als sehr wichtigen Lebensinhalt beschrieben. Inwieweit hat Ihr Wakeboard-Unfall mit der anschließenden Unterschenkelamputation darauf Einfluss gehabt?
Mir hat der Sport ungemein geholfen, indem er mir gezeigt hat, dass ich gar nicht so eingeschränkt bin. Im Krankenhaus habe ich mir am Anfang schon einen Kopf gemacht, dass ich nie wieder Sport treiben werden kann. Meine Familie und Freunde und die Ärzte haben mich aber schnell wieder aufgemuntert, und nach kurzer Zeit habe ich mir das Ziel gesetzt, wieder auf dem Wakeboard zu stehen. Ein paar Wochen nach der Reha habe ich das auch geschafft, und heute treibe ich mehr Sport als vor dem Unfall.
Ohnehin scheint der Unfall Ihr Leben in vielerlei Hinsicht auch positiv beeinflusst zu haben. Neben Ihrer Sportlerkarriere arbeiten Sie heute als Orthopädiemechaniker …
Das stimmt. Ich hatte nicht geplant, diesen Beruf zu ergreifen. Ich wusste, ehrlich gesagt, gar nicht, was ich werden will. Aber durch den guten Kontakt zu einem Sanitätshaus in meiner schwäbischen Heimatstadt Donzdorf fragte mich irgendwann mein Techniker, ob ich mir nicht vorstellen könnte, als Orthopädiemechaniker zu arbeiten. So begann ich die Ausbildung, was ich bis heute nicht bereue. Denn es ist ein großer Vorteil, dass ich selbst Hand anlegen kann, wenn etwas nicht richtig funktioniert. Allgemein kann ich beim Bauen von Prothesen gut nachvollziehen, worauf ich beim Tragekomfort achten muss. Ich mag meinen Beruf sehr, sehr gerne.
Jetzt kommen Sie am 15. September zum Tag des Handwerks nach Kiel. Worauf können sich die Kieler freuen?
Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut und hoffe, dass ich eine Medaille aus London mitbringen werde. Und natürlich werde ich als Repräsentant des Zentralverbands des Deutschen Handwerks Rede und Antwort stehen.
Waren Sie schon mal in Kiel?
Einmal, das ist aber lange her. Ich werde das Wochenende um den Besuch beim Tag des Handwerks nutzen, um mir die Region Kiel genauer anzuschauen. Meine Freundin kommt aus Ratzeburg, und ihre Schwester wohnt gerade zum Studium in Kiel. Wir werden uns ein paar schöne Tage machen.
Zur Person
Markus Rehm, geboren am 22. August 1988, verlor 2003 seinen rechten Unterschenkel, nachdem ihn ein Motorboot beim Wakeboarden übersehen und überfahren hatte. Markus schöpfte schnell wieder Lebenskraft. Eine wasserfeste Prothese ermöglichte ihm wieder zu wakeboarden und andere Sportarten auszuüben. 2008 wurde er auf einer Messe von einem Athleten von Bayer Leverkusen angesprochen und legte nach einem Sichtungslehrgang dann mit der Leichtathletik richtig los.
Mittlerweile ist der 24-Jährige dreifacher Deutscher Meister im Weitsprung, Europameister 2012 im 100-Meter-Lauf sowie Weitsprung und holte mehrere Medaillen bei Weltmeisterschaften des internationalen Sportverbandes für Rollstuhlathleten und amputierte Athleten.