Gerhard Delling zählt zu den bekanntesten Sport-Moderatoren Deutschlands. Der gebürtige Rendsburger spricht im Interview über die Fußballwelt – und erklärt sein Wunsch-Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland
KIELerleben: Herr Delling, wie bewerten Sie die zurückliegende Saison in der Bundesliga und der 2. Liga?
Gerhard Delling: Es gibt (leider) nur einen wirklichen Topverein – den FC Bayern München. Da wird mittlerweile seit so vielen Jahrzehnten besser gearbeitet als anderswo, dass der Vorsprung immer größer geworden ist, auch mental. Dahinter gibt es eine Handvoll ambitionierter Klubs und dann nur noch Mannschaften, die auf einen Ausrutscher nach oben hoffen und den nach unten fürchten müssen. Das ist bei den Summen, die im Spiel sind, schwer verständlich für mich. Denn jeder, der einigermaßen verlässlich und fundiert arbeitet, dürfte schon einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz haben.
Nun hat es nach 55 Jahren Liga-Zugehörigkeit mit dem Hamburger SV erstmals den Bundesliga-Dino erwischt.
War der Abstieg überfällig?
Das ist extrem bitter. Die Liga verliert eine sensationelle Geschichte. Den Dino. Aber an diesem Klub haben sich viele eine goldene Nase verdient, ohne mit wirklichem Wissen und dem nötigen Einsatz bei der Arbeit zurückzuzahlen. Dass es möglich ist, derart viele Fehler zu machen und Abermillionen zu verbrennen, ohne auch nur annähernd dafür gerade stehen zu müssen, sondern stattdessen oft noch eine Abfindung zu kassieren, ist inakzeptabel.
Was sagen Sie zum Fußball-Hoch im Norden mit den Erfolgsgeschichten von Holstein Kiel und Weiche Flensburg?
Holstein hatte die gigantische Chance Geschichte zu schreiben. Schade, dass es nicht geklappt hat. Schleswig Holstein könnte einen Bundesligisten sehr gebrauchen – auch für das eigene Selbstverständnis hierzulande. Schade auch, dass ein Trainer vor dem entscheidenden Spiel mit einem anderen Verein verhandelt und das dann auch noch öffentlich wird. Flensburg sollte auf dem Erlebnis aufbauen und einen neuen Anlauf wagen – aber auch an der Infrastruktur arbeiten!
Holstein Kiel scheint auseinanderzufallen. Ist das Gang der Dinge und normal?
Eigentlich ist das nicht normal. Im Gegenteil: Man darf auch gern einmal in so einer Situation auf die Einhaltung der Verträge bestehen – bis man Alternativen gefunden hat. So ist es extrem gefährlich für den Club.
Was gilt es jetzt beim Hamburger SV zu tun?
Hier muss man Konstanz herstellen. Eine gute Mannschaft zusammenzustellen und den sofortigen Wiederaufstieg schaffen. Viele Unterstützer geben dem Verein noch eine Chance – aber wenn das nicht klappt, wird es frostig und finanziell dramatisch.
Nach Medienberichten scheint der eingeschlagene Weg der richtige. Die Fans unterstützen den Klub vorbehaltlos. Ist das noch normal?
Das ist nicht normal – sondern eine gute Reaktion, so etwas wie der Wunsch nach Zusammenhalt – ein tolles Signal der Anhänger.
Wie ist die Bundesliga insgesamt attraktiver zu machen? Es werden ja immer wieder mal Modus-Änderungen ins Spiel gebracht mit Play-offs etc. Oder wieder drei feste Absteiger?
Ich finde den Modus gut. Es muss für diese Summen einfach besser (und mehr) gearbeitet werden in den Führungsetagen.
Wie geht’s bei Ihnen weiter? Zunächst WM-Berichterstattung – und danach?
Ich bin während der WM bei der deutschen Mannschaft. Danach ruft wieder die Bundesliga. Aber ich arbeite auch gerade an ein paar neuen Ideen. Es ist wie im Fußball: Interessant ist es, wenn es immer weiter geht …
Zur WM: Wer sind Ihre Favoriten?
Ich hoffe auf den Klassiker im Finale: Deutschland – Spanien.
Was sagen Sie zur Kadernominierung von Bundestrainer Joachim Löw?
Jogi Löw (und der Stab darum herum) leistet seit mehr als 10 Jahren mittlerweile herausragende Arbeit. Da wird versucht, an jedes Detail zu denken. Das kann auch einmal schief gehen und auch Fehler können passieren, aber die Wahrscheinlichkeit ist relativ gering aufgrund des Know-how und der professionellen Arbeitsweise. Dazu gehört auch die Nominierung. Er weiß, was er tut.
Fakten:
Gerhard Delling wurde am 21. April 1959 in Rendsburg geboren. Er besuchte die Herderschule Rendsburg und fing 1977 als freier Mitarbeiter bei der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung an. Seit 1980 moderiert Gerhard Delling für
die ARD. Neben zahlreichen Großveranstaltungen wie Olympischen Spielen und Grand-Slam-Turnieren im Tennis wurde Gerhard Delling besonders für seine Moderationen mit Günter Netzer bundesweit bekannt. Zusammen
mit dem ehemaligen Fußball-Nationalspieler präsentierte und analysierte Delling von 1998 bis 2010 die Länderspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Beide erhielten für ihre Glanzleistungen den Adolf-Grimme-Preis 2000 und 2008 den Medienpreis für Sprachkultur.
Das Interview führte Markus Till