David Bowie war ein Gigant der Pop- und Rockmusik. Sein kurz vor dem eigenen Tod vollendetes und uraufgeführtes Musical „Lazarus“ läuft jetzt in Kiel – und hat das Potenzial, Kult zu werden.
Lazarus ist eine biblische Figur, die durch Jesus von den Toten auferweckt wurde. Bowie’s gleichnamiges Musical entstand, wie auch das Album „Black Star“ unter dem Eindruck, beziehungsweise in dem Wissen um das nahende eigene Ableben. „Lazarus“, dessen Weltpremiere am 7. Dezember 2015 der letzte öffentliche Auftritt des Multitalents war, kommt so in dem enormen, mehr als fünf Jahrzehnte umspannenden Schaffenswerk Bowies eine besondere Rolle zu.
Das Stück selbst ist ein Jukebox-Musical. Mit nicht weniger als 17 Bowie-Songs (13 bekannte Hits und vier neue Lieder) kommen alle Fans des Manns, der Ziggy Stardust und so viele Figuren mehr war, in jedem Fall auf ihr Kosten. Aber auch die Story von „Lazarus“ – geschrieben von David Bowie und Enda Walsh – hat einiges zu bieten, basiert sie doch auf dem Walter-Tevis-Roman „The Man Who Fell To Earth“.
Im Zentrum steht Thomas Jerome Newton (gespielt von Marko Gebbert), ein außerirdisches Wesen, das auf der Erde gestrandet ist und versucht, wieder nach Hause zu gelangen.
Die Geschichte von „Lazarus“ ist surreal und verwirrend und handelt von den schwierigen Themen des Seins, wie Isolation, Identität, Sterblichkeit und dem Streben nach Erlösung. Die Handlung folgt Newton, der in einem Apartment in New York City gefangen ist und von düsteren Erinnerungen und inneren Dämonen gequält wird.
Newton trifft auf eine Reihe von merkwürdigen Charakteren, darunter eine mysteriöse Frau namens Elly (Jennifer Böhm), die möglicherweise eine Inkarnation seiner verstorbenen Frau ist, und einen jungen Mann namens Valentine (Mischa Warken), der von dunklen Visionen geplagt wird. Und eine Figur, die nur als „das Mädchen“ (Eva Kewer) bezeichnet ist, die Newton auf seiner Reise helfen möchte.
Während das Musical voranschreitet, wird die Grenze zwischen Realität und Fantasie immer unschärfer, und die Handlung nimmt immer mehr surreale Wendungen. Bowies Musik trägt zur emotionalen Tiefe und Intensität der Geschichte bei und spiegelt die inneren Konflikte und die Zerrissenheit der Charaktere wider.
„Lazarus“ ist ein faszinierendes und avantgardistisches Musical, das sich nicht leicht in eine kurze Zusammenfassung fassen lässt. Es ist eine tiefgründige Erforschung der menschlichen Psyche und ein eindringlicher Einblick in die Gedankenwelt von David Bowie selbst.
Keine leichte Aufgabe, der sich das Kieler Theater angenommen hat, also. Tatsächlich stimmt bei dieser Inszenierung aber einfach alles! Angefangen bei den tadellosen Schauspielleistungen des Ensembles, über das in jeglicher Hinsicht beeindruckende Bühnenbild (Malte Kreutzfeld, der auch die Regie übernahm) bishin zu den perfekten Kostümen (Katharina Beth).
Im Vordergrund bei einem David-Bowie-Musical stehen aber natürlich: die Songs. Bowie selbst war nicht nur äußerlich wandlungsfreudig, sondern hat sich auch musikalisch im Verlauf seiner Karriere gleich mehrfach neu erfunden. Aber auch hier gibt sich das Ensemble keinerlei Blöße und macht sich die Songs – anstatt Bowie zu imitieren – zu eigen, ohne zu verzerren, sodass viele der Gesangsparts sehr zu Recht mit teils langem Zwischenapplaus bedacht wurden. Noch lange in Erinnerung bleiben werden Böhms energiegeladenes „Changes“, Warkens düsterer „Valentine's Day“, das beeindruckende „Life on Mars?“ von Kewer, sowie das große Finale, Gebberts „Heroes“ (im Duett mit Kewer).
Mit nicht minder großem Beifall bedacht wurde die achtköpfige Liveband unter der Leitung von Jonathan Wolters, die nicht nur einen großartigen Sound lieferte, sondern es sogar schaffte, den Bowie-Songs, auch im Vergleich zur Musical-Originalaufnahme (übrigens, mit Michael C. Hall, vor allem bekannt als die Hauptfigur aus der TV-Serie „Dexter“, in der Hauptrolle), einen eigenen Stempel aufzudrücken.
Das Kieler „Lazarus“ ist ein 360-Grad-Erlebnis. Es irritiert, verstört, geht aber gleichzeitig unter die Haut und ans Herz und hat dabei durchaus komische Momente. Obwohl wir gerade erst die Premiere erlebt haben, freuen wir uns schon jetzt auf hoffentlich zahlreiche Wiederaufnahmen.
Wer selbst einmal auf den musikalischen Spuren des Genies David Bowie durch eine absurde Geschichte geleitet werden möchte, hat dazu in diesem Jahr noch am 10., 13., 15., 20., 26. und 30. Dezember die Gelegenheit. Im kommenden Jahr stehen Aufführungen im Januar, Februar, April und Juni im Spielplan.
Tickets gibt es, wie immer, auf theater-kiel.de, telefonisch unter 0431 – 901 901 oder an Vorverkaufskassen des Theaters.