Nicht nur die reale Ostseeküste hatte gerade mit Orkan und Hochwasser zu kämpfen, auch am Theater Kiel zieht erneut ein schwerer „Storm“ auf.
Die Novelle „Der Schimmelreiter“ zählt zum Spätwerk in Husum geborenen Theodor Storm. Vollenden konnte er sie erst im Februar 1888, nur wenige Monate vor seinem Tod.
Die Geschichte selbst ist schnell zusammengefasst, was sie jedoch nicht weniger dramatisch macht. Wir begleiten Hauke Haien (in unterschiedlichen Lebensabschnitten gespielt von Jennifer Böhm, Mischa Warken und Marko Gebbert), der bereits als Junge einen Faible für die Mathematik entwickelt und sich zunehmend für die Konstruktion von besseren, sichereren Deichen interessiert.
Als Hauke alt genug ist, um selbst zu arbeiten, heuert er beim Deichgrafen (Christian Kämpfer) an, wo er nicht nur schon bald viele Aufgaben seines Arbeitgebers übernimmt, sondern sich auch in dessen Tochter Elke (Eva Kewer) verliebt.
Als der Deichgraf stirbt, heiraten Hauke und Elke. Aus Liebe, aber auch, um Hauke genug Land zu verschaffen, um sich als neuer Deichgraf zu qualifizieren. In dieser Rolle widmet sich Hauke ganz der Schaffung eines von ihm erdachten, neuartigen Deichs. Im Dorf fällt Hauke in Ungnade. Wegen seiner harten Hand, seinem großen Eifer – aber auch, weil er einem Fremden einen klapprigen Schimmel abkauft, den die Dörfler für das wiederauferstandene Pferdeskelett von der verlassenen Hallig Jeverssand halten.
Die Novelle gipfelt in einer großen Sturmflut, der der neue Deich zwar standhält – ein alter Deich droht jedoch zu brechen. Ole Peters (Zacharias Preen), der seit jeher gegen Hauke intrigiert, plädiert dafür, den neuen Deich zu opfern, um den alten zu entlasten. Hauke entscheidet sich für das Gegenteil und noch während er auf seinem Schimmel durch das Unwetter reitet, bricht der alte Deich. Elke und die gemeinsame Tochter Wienke (Emily Seubert), die versuchen Hauke mit einem Wagen entgegenzukommen, versinken allerdings in den Fluten und sterben.
Hauke wird Zeuge des Unglücks und stürzt sich mitsamt dem Schimmel in der Folge ebenfalls in die Fluten.
Die Kieler Inszenierung unter der Regie von Daniel Karasek in einer Fassung von Kerstin Daiber und Daniel Karasek weist eine ganze Reihe Besonderheiten auf. Nicht nur, dass das Kieler Publikum ein paar selten gezeigte Tricks der Bühne (Lars Peter) zu sehen bekommt, der Kieler Schimmelreiter ist ein Teilzeit-Musical.
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Für die Musik zeichnet Martin Tingvall (dessen Alben, auch mit dem Tingvall Trio, eine große Empfehlung sind) verantwortlich, für die Texte Jenny Kornmacher, die unter anderem an dem ARD-Serien-Erfolg „Die Toten von Marnow“ mitwirkte. Dabei herauskommen sind sowohl anspruchsvolle als auch eingängige Stücke, die vielen der Schauspieler:innen wie auf die Stimmbänder geschrieben wirken, sodass das Ensemble hier – selbst im Vergleich mit den großen Sommeraufführungen – die insgesamt bislang beste Gesangsleistung abliefert. Will man hier partout jemanden hervorheben, dann sind es Mischa Warken, der sich hier stimmlich offenbar sehr zu Hause fühlt, Eva Kewer, die nicht umsonst auch Teil des Johnny-Cash-Abends ist, und Zacharias Preen, der mehr noch als technisch stets mit seiner Stimme zu punkten vermag.
Für das Spiel gilt einmal mehr, dass das Ensemble als Ganzes glänzt: Der Star ist die Mannschaft, was neben den Qualitäten der Schauspieler:innen in diesem Fall sicherlich auch der Tatsache geschuldet ist, dass mit Hauke Haien, eine der Hauptfiguren von gleich drei Personen verkörpert wird.
Wer Lust bekommen hat auf einen stürmischen, dramatischen und überaus beeindruckenden Abend, hat dazu noch Gelegenheit am 28.10. sowie an mehreren Terminen im November und Dezember.
Tickets gibt es wie immer auf theater-kiel.de, telefonisch unter 0431 – 901 901 und an allen Kassen des Theater Kiel.