Es fühlt sich fast so an, als wären die Schleswig-Holstein Proms eine jahrzehntealte Institution innerhalb des Schleswig-Holstein Music Festival, dabei fanden sie in dieser Form gerade erst zum zweiten Mal statt.
Angelehnt an das große Finale, die „Last Night of the Proms“, der traditionsreichen britischen Konzertreihe wurde in der Neumünsteraner Holstenhalle, die SHMF-Intendant Dr. Christian Kuhnt schon seit Langem als „Royal Albert Hall des Nordens“ bezeichnet, andächtig gelauscht aber auch ausgelassen gefeiert.
Beides wurde dem Publikum denkbar leicht gemacht. Schon vor der Halle warten die St. Pauli Pipes & Drums, ein Dudelsack-Ensemble, das nicht nur einstimmt, sondern die Menschen auch dazu bewegte, sich vor der Halle aufzuhalten, was das Gedränge im Inneren minimiert. Ein Trick, den die Organisatoren auch zum Ende der Veranstaltung aufnahmen, um die Massen mit irischer Folk-Musik wiederum im Foyer der Halle zu halten und so das nur allzu gut bekannte Abreise-Verkehrschaos zu minimieren. Beides klappte erstaunlich gut.
In der Halle selbst wurde von vorn bis hinten Erstklassiges geboten: Die NDR Radiophilharmonie unter der Leitung ihres seit dieser Spielzeit neuen Chefdirigenten Stanislav Kochanovsky gehört zu einem der besten Orchester Deutschlands und sicherlich auch darüber hinaus. Warum das so sei, wollte Annette Dittert, ARD-Korrespondentin in London und Moderatorin des Abends, von Kochanovsky wissen. Als Radiophilharmonie sei man es gewohnt, oft aufgenommen zu werden und auch oft live übertragen zu werden, was zusätzlichen Ansporn für das Streben nach Präzision liefere, so der Dirigent.
Das konnte das Publikum an diesem Abend auch erleben: Mit großem Spaß und großer Spielfreude gingen die Philharmoniker:innen zu Werke, ohne auch nur für einen Moment die Idee aufkommen zu lassen, das hier wäre eine reine Spaßveranstaltung.
Unterstützt wurde das Orchester an diesem Abend von gleich drei Solistinnen von Rang und Namen. Mit Camille Thomas am Cello für David Poppers „Ungarische Rhapsodie“, Lucienne Renaudin Vary an der Trompete für Auszüge aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ und Bomsori Kim an der Geige für die „Carmen-Fantasie“ von Franz Waxman, wurde dem Publikum eine Menge geboten.
Thomas gehört nicht nur zu den wohl besten Cellist:innen der Welt, sie spielt ihr Instrument mit einer Leichtigkeit und Leidenschaft, die ihresgleichen suchen. Auch an diesem Abend gelang es ihr so spielend, das Publikum für sich einzunehmen.
Das gelang auch Trompeterin Renaudin Vary, die dabei allerdings den vermeintlich leichteren Job hatte, gehört die „West Side Story“ doch zu den beliebtesten Musicals überhaupt – und schließlich gehört Leonard Bernstein zu den frühsten Unterstützern des Schleswig-Holstein Musik Festival.
Bomsori Kim gehört zu den aufregendsten Geigerinnen der jüngeren Generation und stellte in Neumünster schnell unter Beweis, warum das so ist: Sie ist bekannt für ihre Fähigkeit, eine tiefe emotionale Verbindung mit ihrem Publikum herzustellen. Ihre Darbietungen zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Präzision und Ausdruckskraft aus, die sowohl technische Virtuosität als auch musikalische Sensibilität vereinen.
Wie auch bei den „Original-Proms“ in England bildeten zwei absolute Klassiker das grande finale: Thomas Arnes „Rule, Britannia!“ und der Marsch Nr. 1 aus Edward Elgars „Pomp and Circumstance“ – inklusive eifrigem Mitgeklatsche und -gesinge sowie einem satten Luftballonregen in den vornehmlich schleswig-holsteinischen, zufälligerweise aber auch britischen Farben.
Mit diesen Schleswig-Holstein Proms gelang es den Macher:innen des Festivals definitiv, das Format zu etablieren. Bei einer erneuten Aufnahme ins Programm 2025 würde es mit dem dann dritten Mal zur Tradition und damit nicht mehr wegzudenken aus dem Schleswig-Holstein Musik Festival. Das Publikum dieses Abends würde das sicherlich begrüßen.