Sol Gabetta gehört zu den renommiertesten Cellist:innen der Welt, das LPO ist eins der bekanntesten und besten Orchester der Welt. eine vielversprechende Mischung also, die gestern Abend in Neumünster auf die Bühne trat.
Selbst wenn Werke, die für das Cello geschrieben wurden, nicht deine allergrößte Passion sind: Das Cello-Konzert von Edward Elgar hast du vermutlich schon viele Male gehört. Immer dann, wenn ein Cello in einem (Nicht-Musik-)Film zu sehen ist, besteht eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, dass du gleich etwas von Bach oder ebendieses Konzert, respektive zumindest Ausschnitte daraus, zu hören bekommst.
Nicht trotzdem, sondern gerade deshalb ist das Cello-Konzert in e-Moll eine gute Wahl für diesen Abend. Es passt nämlich perfekt zum diesjährigen London-Schwerpunkt des Schleswig-Holstein Musik Festival. Elgar (geb. 1857 in Broadheath, England – gestorben 1934 in Worcester, England. Ja, das Worcester mit der Soße.) war schließlich Brite und hat uns neben ebendiesem Cello-Konzert noch einen weiteren Welthit hinterlassen, der in diesem Jahr auch schon in den Neumünsteraner Holstenhallen erklang: „Pomp & Circumstance“. Das Werk also, das traditionell den Höhepunkt der „Last Night of the Proms“ (und in diesem Jahr eben auch der „Schleswig-Holstein Proms“) bildet und dessen Mittelteil vielen als die inoffizielle Hymne des Vereinigten Königreichs gilt.
Von seiner Stimmung her ist Elgards Cello-Konzert jedoch keineswegs mit „Pomp“ zu vergleichen. Es ist emotional vielschichtiger und voller Wehmut, entstand es doch nicht nur unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs, sondern auch in einer Phase schwerer Krankheit von Elgars Frau.
Weltklasse auch auf der Bühne
Die Solistin dieses Abends, zu dem noch die ebenfalls von Elgar stammende Sinfonie Nr. 1 sowie die „Three-piece Suite“ von Thomas Adès aus der Oper „Power Her Face“ gehören, ist Sol Gabetta. Gabetta hat als in der Schweiz lebende gebürtige Argentinierin nicht besonders viel mit England oder gar London zu tun. Dafür ist sie aber mit vielen internationalen Preisen bedacht worden und auch beim Schleswig-Holstein Musik Festival längst keine Unbekannt mehr, war sogar schon Porträtkünstlerin des Festivals.
Hierzulande kannst du sie auch aus dem Fernsehen kennen: nämlich als Moderatorin des BR-Musikmagazins „KlickKlack“ – das wurde allerdings im Mai dieses Jahres nach 13 Jahren eingestellt.
Es ist nicht nur eine Freude, Gabetta zuzuhören, es macht auch großen Spaß, ihr beim Spielen zuzusehen. Gabetta beherrscht das Cello wie nur wenige und bedient es mit allergrößter Hingabe, die man eben auch an ihrer Körperhaltung und ihren Bewegungen ablesen kann. Das wird zum Ende des Abends auch noch einmal ganz besonders bei der Zugabe ersichtlich.
Stehende Ovationen für einen emotionalen und furiosen Abend
Für die nötige Britishness auf der Bühne sorgt das London Philharmonic Orchestra, das bereits im Jahr 1932 von dem britischen Dirigenten Sir Thomas Beecham gegründet wurde. Bekannt ist das „LPO“ nicht nur für seine Konzerte klassischer Musik, sondern auch für die Einspielung diverser Filmsoundtracks, wie „Philadelphia“ oder „Der Herr Der Ringe“.
Unter Chef-Dirigent Gardner brilliert das LPO auch in Neumünster und zeigt, dass es nicht nur zu den besten Orchestern Londons, sondern der Welt gehört. Vor allem in der zweiten Hälfte des Abends, eben bei Elgars Sinfonie Nr. 1, einem Werk, das jeder Instrumentengruppe Raum zum Glänzen gibt.
Das Publikum in Neumünster hat schon viel gesehen. Seit das Schleswig-Holstein Musik Festival die Holstenhallen für sich entdeckt hat, geben sich hier Jahr für Jahr musikalische Weltstars die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Standing Ovations und das Fordern von Zugaben sind keine Selbstverständlichkeit, an diesem Abend allerdings mehr als gerechtfertigt.